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Montag, 13. August 2012

"Arrival City": Zum Beispiel Berlin-Kreuzberg



Neuerscheinung:
"Arrival City" von Doug Sounders
https://www.buechergilde.de/detailansicht/items/arrival-city_164922.html


Aus der Verlagsbeschreibung:
"Die Menschheit erlebt aktuell die größte Völkerwanderung ihrer Geschichte: Ein Drittel der Weltbevölkerung zieht – über Provinzen, Länder, Kontinente hinweg – vom Land in die Städte. Drei Jahre lang hat Doug Saunders in mehr als zwanzig „Orten der Ankunft“ (Arrival Cities) überall auf der Welt, in Berlin-Kreuzberg und im Londoner East End, in den Favelas von Rio de Janeiro und den Banlieues vor Paris mit Menschen über ihre Lebenswirklichkeiten gesprochen. Sein Fazit: Scheitert die Arrival City, wird sie zur Brutstätte von Kriminalität und Extremismus. Blüht sie auf, sichert sie vor allem auch unsere Zukunft.
In unserer Zeit leben zum ersten Mal mehr Menschen in der Stadt als auf dem Land. Mit Arrival City legt Doug Saunders das Buch zum politisch und wirtschaftlich folgenreichsten Phänomen der Gegenwart vor, und seine Reportage gibt diesem Phänomen ein Gesicht. Die These, dass diese radikale, unumkehrbare Entwicklung eine positive ist – sowohl für die Migranten als auch für die Städte, in denen sie ankommen –, setzt Saunders’ Buch von gern beschworenen Untergangsszenarien ab. Ob Migration funktioniert oder nicht, hat wenig mit kulturellen Klüften oder religiösen Gegensätzen zu tun. Die Ziele der Neuankömmlinge sind – egal aus welchem Land sie stammen oder in welche Stadt sie gehen – die gleichen. Doch ob sie Arbeit finden, soziale Netzwerke aufbauen, ihren Kindern Schulbildung und eine Zukunft ermöglichen können, hängt davon ab, ob die Stadt auf sie vorbereitet ist. "


Thilo Sarrazin und andere haben in den letzten Jahren genetisch-sozialdarwinistische Erklärungsmuster für alle Missstände von Migration und Spaltung der Gesellschaft wieder populär gemacht. Dieses Buch ist ganz gegen den Strich solcher Muster gebürstet. Deshalb wunderte es mich, dass sogar Peter Sloterdijk, der Eugenik und dem Sozialdarwinismus sonst durchaus zugeneigt, "Arrival Cities" in der Sendung "Das Literarischen Quartett" wärmstens empfahl. Auch ein Philosoph im deutschen Medienbetrieb kann also lernen, eine neue Perspektive einzunehmen.

Vielleicht musste endlich ein neuer englischer Begriff die Besonderheit bestimmter Orte in Zeiten der globalen Migration verdeutlichen: Arrival City, Ankunftsstadt.



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Hat Sloterdijk gelernt?
Hervorgetreten war er bisher als Vertreter von Übermensch-Fantasien


Das Zarathustra-Projekt
von Thomas Assheuer
02.09.1999
ZEIT ONLINE
http://www.zeit.de/1999/36/199936.sloterdijk1_.xml

Der Philosoph Peter Sloterdijk fordert eine gentechnische Revision der Menschheit

... Während die nachmetaphysisch gestimmte Philosophie sich keine Weltdeutung im Ganzen mehr zutraut, bastelt die Naturwissenschaft munter am biokosmischen Menschenbild. Unterwürfig preist das Publikum die Evolutionsbiologie als Weltbildersatz. Die Gemeinde beugt das Knie bei astrophysikalischen Liturgien und nimmt die Einsegnungen der Affenforschung jauchzend entgegen.

Mit einem Paukenschlag möchte Sloterdijk die Feindseligkeiten zwischen Philosophie und Naturwissenschaften beenden, um Wissen und Geist, Philosophie und Naturwissenschaften zu versöhnen. Ihm schwebt eine demokratiefreie Arbeitsgemeinschaft aus echten Philosophen und einschlägigen Gentechnikern vor, die nicht länger moralische Fragen erörtern, sondern praktische Maßnahmen ergreifen. Diesem Elitenverbund fällt die Aufgabe zu, mithilfe von Selektion und Züchtung die genetische Revision der Gattungsgeschichte einzuleiten. So wird Nietzsches schönster Traum bald wahr: die Zarathustra-Fantasie vom Übermenschen.

Sloterdijk begründet sein Plädoyer für gentechnische Selektion mit einer düsteren iagnose. In der eskalierenden Moderne, sagt er, wachse das barbarische Potenzial der Zivilisation. Die "alltägliche Bestialisierung der Menschen in den Medien der enthemmenden Unterhaltung" nehme zu. ...

Der Humanismus, sagt Sloterdijk, war Teil jenes Gewaltproblems, als dessen Lösung er sich immer noch ausgibt. Seine Lektionen richten den Menschen ab und richten ihn zu - bis aufs Zwergenformat. "Domestikation des Menschen (ist) das große Ungedachte, vor dem der Humanismus von der Antike bis in die Gegenwart die Augen abwandte." Die "Kleintierzüchtung" der Zivilisation, so zitiert Sloterdijk den sozialdarwinistischen Nietzsche, zeugt harmlose Menschen, jämmerlich und  verächtlich, mit einem Lüstchen für den Tag und einem für die Nacht. Da kriechen sie nun. "Mit Hilfe einer geschickten Verbindung aus Ethik und Genetik" haben es die Menschen "fertiggebracht, sich selbst kleinzuzüchten". ...

"Was zähmt noch den Menschen?" Für einen Moment klammert sich Sloterdijk an seinen Hausgott Martin Heidegger - und wird bitter enttäuscht. Der bewunderte Heidegger, klagt er, habe sich in den "beispiellos düsteren Jahren nach (!) 1945" in seine Hütte verkrochen und sei zum andächtigen "Hüter des Seins" introvertiert. Was damals anachronistisch, aber verständlich war, ist heute gefährlich. Die Zeit ruft nicht nach Hirtenspielen, sondern nach Entscheidungen. Die Zeit drängt. Die Gewalt wächst. "Es genügt, sich klar zu machen, daß die nächsten langen Zeitspannen für die Menschheit Perioden der gattungspolitischen  Entscheidung sein werden." Doch schon sieht Sloterdijk eine "Lichtung". Darauf die Gentechnik mit ihren Instrumenten Selektion und Züchtung. "Die Lichtung ist zugleich ein Kampfplatz und ein Ort der Entscheidung der Selektion." Witterte nicht schon Nietzsche den Kampf zwischen "Kleinzüchtern und Großzüchtern (...), Humanisten und Superhumanisten, Menschenfreunden und Übermenschenfreunden"? ...

Moralische Skrupel? Im Gegenteil. Keinesfalls dürften die geistigen Eliten auf die "Rolle des Selektors" verzichten und ihre Hände in Unschuld waschen. "Da bloße Weigerungen oder Demissionen an ihrer Sterilität zu scheitern pflegen, wird es in Zukunft wohl darauf ankommen, das Spiel (!) aktiv aufzugreifen."
Beiläufig erinnert Sloterdijk an Platons Dialog Politikos, um ihn scheinbar kommentarlos in die Zukunft zu sprechen. Tatsächlich liefert Platon ihm das Modell, um Gentechnik in Biopolitik zu überführen. Hat nicht der "platonische Zoo" den Irrtum der egalitären Demokratie glücklich hinter sich gelassen?
Spricht nicht schon Platon von der "züchterischen Steuerung der Reproduktion"?
Unter der Neonsonne der Gentechnik schimmert Platons Elitenherrschaft plötzlich in verführerischem Glanz. Sie gibt Winke aus der Zukunft. Der Staatsmann, so  referiert Sloterdijk wertfrei, muss die "ungeeigneten Naturen auskämmen, bevor er daran geht, mit den geeigneten den Staat zu weben". Später dürfen die "Besonnenen (...) in den Kulturbetrieb", wobei die "Menschenhüter von den Schützlingen so grundsätzlich geschieden" werden, dass "niemals eine Wahldirektion möglich" wäre. "Nur eine Direktion aus Einsicht." ...
Schon 1991 wurde Sloterdijk von Züchtungsfantasien heimgesucht; schon damals spielte er mit dem Gedanken, den harmlosen "Altmenschen" durch Selektion zur Strecke zur bringen. In den von ihm herausgegebenen Berichten zur Lage der Zukunft (edition Suhrkamp) empfahl er, das "alteuropäische weltanschauliche Erbe" abzuräumen. Von diesem Ballast befreit, begeisterte sich Sloterdijk damals für einen "Biologismus", der "auf eine intelligente Menschheit im ganzen zielt, nicht auf eine neurobiologische Apartheid oder eine Klassenherrschaft der Intelligenzmutanten über die Altmenschen heutigen Typs". Ein Satz später verfliegt der Skrupel vor der Obszönität seiner Sätze, und der innere Großzüchter erhält das Wort. "Das Schlimmste ist möglich, aber auf jeden Fall nichts Schlimmeres als das, was geschieht, wenn es keine Selektion von intelligenten und generöseren Menschen gibt."
In der Tat, schlimmer konnte es nicht kommen. Dennoch entspringt Sloterdijks skandalöse Rede nicht nur der Verirrung eines Weltanschauungsphilosophen, der in den Fußstapfen von Nietzsche und Heidegger versinkt und sich dabei einbildet, er könne im Stadtwald von Karlsruhe die Moderne begraben. In Sloterdijks Selektionsfantasien haust ein fürchterlicher Realismus, der das diabolische Potenzial der Genforschung nüchtern ins Auge fasst. Er weiß, dass die Büchse der Pandora geöffnet und gentechnische Menschenzüchtung keine Science-Fiction mehr ist.

Schon unmittelbar nach der Entdeckung der DNA-Struktur ließen Genforscher ihren Bemächtigungsfantasien freien Lauf und pflasterten die biopolitische Zukunft mit süßen Verheißungen. Julian Huxley sorgte sich 1962 über die menschliche Unvollkommenheit der Gattung und schlug vor, durch eugenische Selektion die intellektuelle "Qualität der Weltbevölkerung zu verbessern". Joshua Lederberg, Nobelpreisträger und Molekularbiologe, frohlockte auf einem berühmt gewordenen Ciba-Kongress, man könne "jetzt den Menschen definieren" und die "Größe des menschlichen Gehirns durch vorgeburtliche Eingriffe regeln". Francis Crick träumte von einem strahlungssicheren und anspruchsarmen Homunkulus für die Weltraumfahrt, einem "regressiven Mutanten mit Greiffüßen und affenähnlichem Becken". ...

Von der ersten Stunde an hat die Gentechnologie Menschenbilder transportiert, dunkle Bedrohungsszenarien entworfen und das Blaue vom Himmel versprochen. Die
gentechnische Sonde des Wissens hat die letzten metaphysischen Reste beseitigt und den Glauben an einen zeitlosen und unveränderlichen Wesenskern des Menschen
heillos entzaubert. Und doch produziert die absolute Freiheit den namenlosen Schrecken. Die gentechnische Transparenz erzeugt neue Dunkelheiten; sie setzt eine Dialektik der Aufklärung in Gang, die eine tief internalisierte Zone zu berühren scheint: das moralische Verhältnis der Menschen untereinander, die grundlegende Symmetrie zwischen Freien und Gleichen. Der amerikanische Rechtsphilosoph Ronald Dworkin erklärt die archaische Angst, die die Gentechnik auslöst, aus der tief sitzenden Furcht, wir könnten im doppelten Sinne des Wortes die "Haftung", das Wissen von Gut und Böse verlieren - ganz so, als sei
von der Genforschung der Latenzschutz des Daseins und das uralte Definitionsverbot des Lebens verletzt worden.

Sloterdijk nutzt die Gunst der Stunde und unterbreitet den angsterzeugenden Naturwissenschaften ein Friedensangebot. Er tritt als Bewährungshelfer auf und
verspricht der Forschung die höheren metaphysischen Weihen, indem er gentechnischem Wissen philosophischen Geist einhaucht - und zugleich der Philosophie die Krone der Königswissenschaft aufsetzt. ... Auf der Lichtung der Wissenschaft mutiert der exzentrische Erdbewohner durch elitengesteuerte Züchtung in sein altes, von der Moderne veruntreutes "Wesen".

Während der soziale Problemdruck wächst, werden die Gerechtigkeitsutopien durch biopolitische Selektionsfantasien abgelöst. Sie predigen Anpassung an die Logik
der Forschung, Anpassung an selbst geschaffene Umwelten und den alternativlosen Gang der Modernisierung - und im Fall von Sloterdijk sogar deren gentechnische
Beschleunigung. ... Nicht Freiheit und Verantwortung, sondern ethisch entkernter Konformismus lautet die Parole. Bizarr, dass diese Biopolitik vollmundig im Windschatten eines mit Nietzsche genmanipulierten Heidegger operiert. Ausgerechnet Heidegger. Schaudernd hätte er sich vor dem eugenischen Wahn des Zarathustra-Projekts
abgewandt - vom Generalangriff auf das unaussprechliche Leben der "Altmenschen".


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Arrival City : Ein Film dazu ist in Vorbereitung
In the next decades, more than two billion rural people will gather their scant possessions and gamble their lives on a move to the city. ...

www.arrivalcityfilm.com


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Sloterdijk, ansonsten Vertreter eines "DNA-Fundamentalismus"

'Sloterdijk ist aber beileibe nicht der einzige Vertreter dieses naturwissenschaftlich unhaltbaren DNA-Fundamentalismus. Woche für Woche finden sich ähnlich groteske Fehldeutungen in den Medien. So wartete z.B. Der Spiegel im November 1998 mit einer Titelgeschichte auf, die die Sinnlosigkeit aller erzieherischen Anstrengungen beweisen sollte.' (Die Entzauberung des Menschen - M. Schmidt-Salomon)

http://www.3tes-jahrtausend.org/religionskritik/giordano_bruno_stiftung.html




Sonntag, 12. August 2012

Sie meinen die Last der Welt zu stemmen



Ergänzung 24.05.2013


Ausdruck des Kults um Ayn Rand:
Briefmarke, USA, 1999


Der Halbgott Atlas trägt, der griechischen Mythologie zufolge, die ganze Welt auf seinen Schultern. Was würde passieren, wenn Atlas mal kräftig mit den Schultern zucken würde? Das gäbe ein Gepurzel – und Atlas wäre endlich frei von seiner Last und könnte das unbeschwerte Playboy-Leben führen, das ihm als Halbgott eigentlich zusteht.
Die Schriftstellerin Ayn Rand (1905-1982), eine unter Milliardären und solchen, die ein bisschen von deren Glanz mitbekommen wollen, sehr beliebte Ideologin des Sozialdarwinismus, schrieb um diese Idee herum ein Kultbuch: Atlas Shrugged (Atlas zuckte die Schultern).
Atlas, das sind die Reichen und Tüchtigen (was bei ihr ein und dasselbe ist), die all die Armen und Untüchtigen der Welt auf ihren Schultern mit sich herumschleppen. Ach, würden sie doch endlich einmal erkennen, dass sie diese Last gar nicht tragen müssen und nur mit den Schultern zu zucken brauchen …

Also, wie schon weiland Hegel schrieb (zustimmend von Thilo Sarrazin zitiert), die Armen „auf den öffentlichen Bettel anweisen“ … was immer dann auch mit ihnen geschehen mag.

Die US Präsidentschaftswahlen sind lange vorbei; die republikanischen Präsidentschafts- und Vizepräsidentschafts-Kandidaten Romney und Ryan sind weg vom Fenster der öffentlichen Aufmerksamkeit. Trotzdem ist dieser Post der Blog-Statistik nach immer noch – und noch mehr als vor den US-Wahlen, als er verfasst wurde - einer der beliebtesten auf diesem Blog. Ich denke, der Grund dafür ist das Interesse an Ayn Rand. Auf den Einfluss ihrer Kult-Lehren (schon seit Jahrzehnten in den USA, nun auch zunehmend in Deutschland und anderen Ländern) war ich durch Internet-Suche zu Romney und Ryan überhaupt erst aufmerksam geworden.


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Präsidentschafts-Rennen in den USA:


Das republikanische Team Mitt Romney (Präsidentschafts-Kandidat) und Paul Ryan (“Running Mate” als Kandidat für die Vize-Präsidentschaft) setzt sich für drastische Reduzierung  von Sozialleistungen, gegen soziale Krankenversicherung und für höhere Militärausgaben ein.


Mitt Romney gibt die Nominierung von "Running Mate" Paul Ryan bekannt.


(Nachtrag: Siehe auch den Post "47 Prozent"
http://guttmensch.blogspot.com/2012/09/47-prozent.html )
Romney beschuldigt Obama, einen "Krieg gegen die Religion (war on religion) zu führen, weil die Kosten für Verhütungsmittel über Krankenversicherung mitfinanziert werden sollen. 

Der Mormonen-Bischof Romney hat zwar weite Unterstützung in christlich fundamentalistischen Kreisen in den USA, wurde kürzlich aber auch von einer Gruppe von Katholiken (Franziskaner-Brüdern) wegen seiner erbarmungslosen Einstellung gegenüber Armen hart kritisiert.

Inwieweit Romney Lehren des Mormonen-Propheten Brigham Young (etwa: "Bei Vermischung der Rassen kommt der Tod auf die Weißen") im Einzelnen vertritt, ist nicht bekannt.



In jedem Fall bekommt er viel Beifall auch auf rechtsextremen und rassistischen Webseiten. Beispiel: "Grendel Report". Dort wird u.a. betont, dass er in Amerika geboren und seine Geburtsurkunde nicht gefälscht sei. (Barack Obama sei nicht in den USA geboren und ein heimlicher Muslim ist Teil der Standard-Propanda im rechts-konservativen bis rechtsextremen Spektrum.)http://grendelreport.blogspot.com/2012/06/mitt-romney.html



Brigham Youngs Ur-Ur-Enkelin Sue Emmett ist aus der Mormonen-Kirche ausgetreten - wegen Werten und Glaubenslehren, von denen sie sagt, dass sie Romney zu einem furchterregenden Präsidenten machen würden.


Ryan ist ein leidenschaftlicher Jäger (Zitat: "Es ist Jagdsaison, lasst mich in Ruhe") und politischer Freund des Gouverneurs von Wisconsin, Scott Walker, der kürzlich eine weitere Lockerung der Waffengesetze durchgesetzt hatte.


Paul Ryan als Jäger, Bild von seiner Facebook-Seite


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US-Wahlkampf: Allianz-Kunden kündigen wegen Spenden für Mitt Romney
von Thomas Stölzel
Wirtschaftswoche, 4. August 2012
Auszug

“Weil US-Führungskräfte des Versicherungskonzerns Allianz für Mitt Romneys Wahlkampf gespendet haben, kündigen viele deutsche Kunden ihre Verträge. Der US-Wahlkampf bereitet Allianz-Chef Michael Diekmann Ärger: Weil die US-Führungskräfte des Versicherungsriesen vor allem Mitt Romney und die Republikanische Partei unterstützen, hat eine Reihe deutscher Kunden ihre Verträge mit dem Konzern gekündigt oder dies angedroht … Die Kunden stören sich vor allem an Romneys Positionen in Umwelt-, Krankenversicherungs- und Rüstungsfragen. Mit einem Unternehmen, das diese Politik unterstütze, wollten sie nichts zu tun haben.”http://www.wiwo.de/unternehmen/versicherer/us-wahlkampf-allianz-kunden-kuendigen-wegen-spenden-fuer-mitt-romney/6957144.html

Auch US-Führungskräfte der Deutschen Bank haben für Romney gesammelt. Ob deshalb Kunden abspringen, wurde nicht berichtet.
Der Protest wird sich in Grenzen halten. Denn immerhin wird für das sozialdarwinistische Weltbild, wie Romney es vertritt, auch in Deutschland kräftig die Trommel gerührt. Dafür sorgen z.B unzählige Talkshows mit Sarrazin, Henkel, Sloterdijk und anderen Propheten des sozialdarwinistischen Mottos “Survival of the Fittest”.


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Siehe auch Stichwort "Sozialdarwinismus" auf diesem Blog, z.B. die Posts

Am fittesten sind die Millionäre

http://guttmensch.blogspot.com/2011/04/am-fittesten-sind-die-millionare.html

"Führungsbegabte Familien": Besondere Gene oder besondere Vorrechte?
http://guttmensch.blogspot.com/2011/12/fuhrungsbegabte-familien-besondere-gene.html


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Ayn Rand (1905–1982), Vertreterin einer “Moralitaet in rationalem Selbstinteresse”, Anhaengerin des “Laissez-faire-Kapitalismus” und Begruenderin einer von ihr “Objektivismus” genannten Ideologie (siehe z.B. http://de.wikipedia.org/wiki/Ayn_Rand), gilt als ideologischer Kompass fuer Paul Ryan.
Der Verbreitung ihrer Ideologie ist ein eigener Think Tank gewidmet, das Ayn Rand Institute. In der Bloggersphaere ist die Counterjihad-Bloggerin Pamela Geller derzeit eine der bekanntesten Vertreterinnen der Ayn-Rand-Anhaengerschaft. Ihr Blog heisst Atlas Shrugged nach dem Titel des Hauptwerk ihres Idols, Atlas Shrugs. Geller steht einigen Quellen zufolge u.a. mit “Pro Koeln” in Verbindung. Von der Tatsache, dass sich der Norwegen-Attentaeter Anders Breivik ausgiebig auf sie bezog, zeigte sie sich unbeeindruckt.

Eine von Pamela Geller initiierte Anzeigenkampagne in San Francisco, mit Anzeigen auf staedtischen Bussen, ist ebenfalls an einen Ausspruch von Ayn Rand angelehnt. Sowohl der Anzeigentext als auch der offensichtliche Vorbild-Text legen nahe, dass es einen unversoehnlichen Gegensatz gebe zwischen der von Israel vertretenen Zivilisation einerseits und wilden/ unzivilisierten Arabern (savages) andererseits.
“Rand appearing on Donahue said Arabs are “primitive savages.” Incidentally, Geller is an avid follower of objectivist novelist Ayn Rand who is also an ideological compass for the presumptive GOP Vice Presidential candidate Paul Ryan. On August 14, 2012 Loonwatch noted Geller’s fondness of Rand goes beyond her website’s name, Atlas Shrugged, after the philosopher’s book, Atlas Shrugs. The text of Geller’s Muni ad is derived from a 1979 Rand quote from the Donahue Show. At the time Rand said:
·     If you mean whose side should we be on: Israel or the Arabs? I would certainly say Israel because it’s the advanced, technological, civilized country amidst a group of almost totally primitive savages. …
By comparison Geller’s ad reads:
·     In any war between the civilized man and the savage, support the civilized man. Support Israel Defeat Jihad. …
For more background on Geller’s attack ads paid for by the American Freedom Defense Initiative, see Annie Robbins reporting here, here, and here.”
(Allison Deger,
http://www.loonwatch.com/tag/ayn-rand/)


Dazu passen Aeusserungen von Mitt Romney in Israel.
“Der Republikaner verglich das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in den Palästinenser-Gebieten mit dem in Israel und sprach von einem "dramatischen und starken Unterschied in der wirtschaftlichen Dynamik". Romney sagte, dass diese Differenz unter anderem mit Unterschieden zwischen beiden Völkern zu erklären sei. Die Vitalität Israels sei "der Kultur und einigen anderen Umständen" zu danken – und nicht etwa der Abriegelung der Palästinensergebiete.” http://www.zeit.de/politik/ausland/2012-07/romney-israel-palaestinenser

Der israelische Journalist Bradley Burston, Chefredakteur von Haaretz.com, meinte in einem Artikel vom 21.08.2012, dass nicht Islam, sondern Islamophobie das Ende Israels sein wuerde, und kritisierte scharf die Anzeigen-Initiative von Pamela Geller.http://www.haaretz.com/blogs/a-special-place-in-hell/islamophobia-not-islam-will-be-the-end-of-israel.premium-1.459722



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Mehr ueber Ryan und seine Verehrung fuer Ayn Rand (in englischer Sprache) siehe z.B.
http://rightweb.irc-online.org/profile/ryan_paul

und Video-Clip (2009)
http://www.youtube.com/watch?v=WmW19uoyuO8&feature=player_embedded#%21

Darin bezeichnet er Obamas Politik, insbesondere zur Krankenversicherung, als „Angriff auf den demokratischen Kapitalismus“ und unmoralisch im Sinne von Ayn Rands Moralbegriff. (Rand vertrat einen radikalen Individualismus und lehnte, aehnlich wie Nietzsche, Solidaritaet mit Schwaecheren ab, obwohl sie in der letzten Phase ihres Lebens selbst Transferleistungen in Anspruch nahm.)

Rand teilte die Menschen ein in "Makers" und "Takers"; also (nuetzliche) "Macher" und (unnuetze) "Nehmer".

Mit Solidarsystemen, wie soziale Krankenversicherung, vertraegt sich diese Weltsicht natuerlich nicht. Das bringt mich darauf: Warum hat sich eigentlich der Begriff "Transferleistungen" und nicht der Begriff "Solidarleistungen" durchgesetzt, und was bedeutet das fuer unsere Wahrnehmung? - Aber das ist fuer ein anderes Mal.  
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Congress, health care and survival of the fittest in America
January 21, 2011By: Ann Day

"Yesterday, the House of Representatives voted to repeal the health care act. They named it "Repeal the Job Killing Health Care Law Act." There were some Wisconsin members of Congress who voted to repeal this act. They include, Paul Ryan (R), Sensenbrenner (R), and Petri (R). Perhaps their actions are based on their gut instincts that only the strong should survive in our society. ..."
http://www.examiner.com/article/congress-health-care-and-survival-of-the-fittest-america



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"Demographische Kapitulation". - "Hungernde Leute kämpfen nicnt, sie leiden nur."
Gunnar Heinsohn, rezipiert auf einer Ayn Rand Webseite
(Siehe auch Stichwort "Heinsohn" auf diesem Blog)

Aus

Ayn Rand | We Have Seen Better Days

Archive for the ‘Ayn Rand’ Category Multiculturalism, or How to Stop Worrying
and Be a Lemming

Posted in affirmative action, Ayn Rand, blog, College, communism, culture,
Fjordman, Free Speech & Civil Liberties, leftist, liberal, Marxism, Marxist,
multicultural, multiculturalism, multiculturalist, National Identity, political
correctness, Politically Correct, quotas, racial discrimination, racisim,
racist, sharia, social leftist, socialism, The left, Western Civilization,
Western Culture
on June 8, 2007 |

"The German professor of sociology Gunnar Heinsohn worries about what he calls
the “demographic capitulation” of European nations. He fears that the imploding
birth rates will lead to the collapse of the welfare state, and that immigration
cannot solve this problem. He does not believe that material aid to countries
with large youth populations will prevent wars and terror. On the contrary, it
may in fact increase unrest and violence, since starving people do not fight,
they just suffer. In order to create unrest, they have to be both physically and
mentally fit, but lack the positions and the respect they think they deserve.
This is consistent with the fact that Islamic terrorists tend to have above
average education and at least average income."
http://hecubus.wordpress.com/category/ayn-rand/


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What Would Ayn Rand Do About the Euro Crisis? - Businessweek

By Zeke Turner
August 02, 2012

"The plot of Ayn Rand’s controversial 1957 novel Atlas Shrugged couldn’t be more
relevant to Germany as the European financial crisis unfolds—or so contends a
young Munich executive, Kai John, who has published a new translation of the
libertarian classic. In the novel, the brightest and most productive citizens
(i.e. the Germans!) deeply resent having to support the weaker members of
society and rebel, leaving society in tatters, a fate that could befall the
Continent if Angela Merkel and the German parliament refuse to bolster the
European Union’s straggling economies. A series of bailouts has left John, 36, a
vice president at a multinational financial services company, feeling like
Rand’s hero, John Galt: “The time is here to make Germans aware that
collectivism has its limits.”
Though the book has always sold well in the U.S.—it broke its own annual sales
records as recently as 2009—Atlas Shrugged has been hard to come by in Germany,
and John decided late last year that that needed to change. [...] seeing a
business opportunity and political calling, he decided to invest his
nights, weekends, and life savings, “a six-figure sum,” to put out Der Streik,
an homage to Rand’s working title, The Strike. [...]
Ten years ago there weren’t more than 10 or 20 people in Germany who considered
themselves libertarians, according to David Schah, an editor at Germany’s only
journal for libertarian ideas, eigentümlich frei. But he sees Der Streik as a
potential boon. “If in the U.S. Ayn Rand was a gateway drug for libertarianism,
then the same thing could happen in Germany,” he says.
For now, the only hope for German Rand devotees is Frank Schäffler, a member of
the Free Democratic Party (FDP) delegation in the Bundestag, Germany’s lower
house of parliament. Schäffler, who brought Der Streik with him on vacation this
year, was among the minority of Bundestag members who voted against a bailout
package for Spanish banks on July 19. [...] "
http://www.businessweek.com/articles/2012-08-02/what-would-ayn-rand-do-about-the-euro-crisis



Ayn Rand | wildezeiten
Über die neue Umverteilung
06 Nov 2012
Gelesen: Atlas Shrugged von Ayn Rand

" Ayns Welt in Atlas Shrugged ist beruhigend einfach strukturiert. Es wurde in
den USA im Jahre 1957 veröffentlicht, ein Jahr nachdem der McCarthyismus, die
politische Verfolgung von angeblichen Kommunisten in den USA offiziell beendet
wurde. Dieses Kolossalwerk gilt als Paradestück des ungehemmten Kapitalismus.
Viele derjenigen, die darauf vertrauen, dass es der Markt schon irgendwie
richten wird, haben diesem tausendundeinseitigen Roman einen Ehrenplatz in ihrem
Regal verliehen. Unter den prominenten Anhängern des laissez -faire Kapitalismus
ist z. B. Allan Greenspan, ehemaliger Chef der Fed. Greenspan warb für komplette
Deregulierung des Derivatemarktes, drückte den Leitzins auf lächerliches Niveau
um die Folgen der geplatzten Dot-Com-Blase zu bekämpfen, mit dem Ergebnis, dass
Investoren (darunter auch Ihre Kapitallebensversicherung oder Pension, lieber
Leser) im verzweifelten Versuch nach Rendite ihr Glück in Produkte suchten, die
sie nicht durchschauten. Auch Frank Schäffler ist ein großer Fan. Daher habe ich
mich dazu aufgerafft, diese Bibel der Marktverehrer endlich auferksam zu lesen.

In Ayns Werk gibt es nur zweierlei Menschen. Auf der einen Seite gibt es die
Leistungsträger: Geniale Unternehmer mit Tendenz zum Micromanagement, geniale
Ingenieure oder immerhin engagierte BWLer, die ihr allerbestes geben. Sie sind
physisch an ihrem festen Blick und ihrer hageren Figur zu erkennen. Die genialen
Unternehmer, die eigentlichen Helden in Ayns Welt, leben ausschließlich für ihre
Arbeit und deren Entlohnung, Entlohnung ausschließlich in Geld, natürlich.
Undank ist natürlich auch ihr Lohn, aber dazu mehr später. Natürlich haben sie
alle einen süperben Arbeitsethos, denn sie sind nie versucht, zu mogeln, zu
bestechen oder einzuschüchtern. Es ist zudem allgemeiner Konsenz, dass ihre
Produkte ganz toll und unentbehrlich sind, so dass ihr Erfolg ausschließlich
eine Funktion ihrer hervorragenden Leistung ist. Glück spielt zu keiner Zeit
eine Rolle.

Auf der anderen Seite stehen die Schmarotzer – faule Menschen, die aufgrund
ihrer Trägheit und Mittelmäßigkeit arm sind. Sie sind zu erkennen am glasigen
Blick, wabbligen Gesichtzügen und pummeliger Figur. Statt sich auf den
Hosenboden zu setzen und ihr karges Brot durch ehrliche Arbeit zu verdienen oder
selbst geniale Unternehmen zu errichten, stellen diese Blutegel der Gesellschaft
auch noch Ansprüche an die geplagten Helden. Sie verlangen Almosen, finanziert
durch Steuern- infame Enteignung in Ayns Welt!

Rands Haltung zum Sozialstaat und zu Verlierern der Marktwirtschaft drückt sie
am prägnantesten in der Figur des Piraten Ragnar Danneskjöld aus. Ragnar D
verweigert der Gesellschaft sein Leistungsvermögen und widment sich stattdessen
der Piraterie. Er kapert Schiffe, die Hilfsgüter an die Volksrepubliken Europas
liefern sollen. Den Erlös verkauft er auf dem Schwarzmarkt gegen Gold,das er an
Reiche zurückgibt als Entschädigung für Einkommenssteuer. Hier Auszüge aus
Ragnars Monolog:

Robin Hood [..] He was the man who robbed the rich and gave to the poor. Well,
I’m the man who robs the poor and gives to the rich – or, to be exact, the man
who robs the thieving poor and gives back to the productive rich. [...]
In Ayns Welt werden die Leistungsträger durch Steuern uns Regulierungen
erstickt. Man mag da an Regulierungen wie etwa Grundwasserschutz, Regulierung
von Atomkraftwerken oder Regulierungen in der Pharmaindustrie denken. Alles
Boshaftigkeiten, ersonnen von Schmarotzern, die den Leistungsträgern übelst
mitspielen. Dem soll endlich ein Ende gesetzt werden. Die Unternehmer
beschließen, zu streiken. Erwartungsgemäß bricht natürlich die Welt zusammen,
weil das gemeine Volk, die 99% ,im heutigen Jargon, zu trottelig sind, um auch
nur den simplesten Schienenverkehr zu organisieren.

Der Roman ist ein gelungenes Propagandastück für alle diejenigen, die jede Form
von sozialer Solidarität ablehnen. Egoismus ist explizit erwünscht. Einzige
Überraschung für mich war der Sex. Es wird zwar nichts im Detail beschrieben,
schließlich befinden wir uns mitten in den Fünfzigern, aber immerhin treibt es
die Heldin Dagny mit drei Kerlen parallel, davon einem verheirateten.[...]

Sofern man nicht von animalischem Hass auf Sozis geplagt ist, wie etwa die
Autorin selbst, die über die Enteignung ihrer Eltern durch die Revolutionen in
Russland offenbar nie hinweggekommen ist, bereitet das Lesen Langeweile und
Schmerzen.[...] Ich glaube, Joseph McCarthy lebt heute noch, zumindest in den
zornigen Herzen seiner wachsenden Anhängerschaft. Sollte dieses Opus auch in
Europa respektablen Status erreichen, werden auch hier Menschen, die keine
Berührungsängste mit sozialistischen Ideen haben, als Perverse gebrandmarkt.
Wenn es soweit gekommen ist, sollte sich niemand damit entschuldigen, er habe
es nicht gelesen. "

http://wildezeiten.wordpress.com/tag/ayn-rand/ 

Dienstag, 7. August 2012

Antwort auf die "Quizfrage": Das Sprengstoffattentat mit über 70 Opfern gehört bei Sarrazin um positiven Szenario

Post vom 07.08.12
War versehentlich auf "Entwurf" zurückgesetzt worden und wird jetzt wieder veröffentlicht (mit aktuellem Datum)



Die "Quizfrage" lautete: „Sarrazin präsentiert im Schlusskapitel seines Buches zwei Zukunfts-Szenarien: einen ‚Alptraum‘ und eine positive ‚Alternative‘. Zu welchem dieser Szenarien gehört ein Sprengstoffattentat mit über 70 Opfern?
Die Antwortmöglichkeiten waren: „Zum Alptraum“, „Zur „positiven Alternative“, „Zu beiden Szenarien“, „Zu keinem der beiden Szenarien“.

Die zutreffende Antwort ist: „Zur positiven Alternative“.
Zum Inhalt der  Szenarien:
Ein Sprengstoffattentat mit 73 Opfern, begangen in Berlin von einer Gruppe von Islamisten, gehört bei Sarrazin zur positiven Alternative, zum "Traum". Das Attentat geschieht  im Mai 2013, und bei der Bundestagswahl im September 2013 wird eine Regierung gewählt, die in ihrer Koalitionsvereinbarung "neue Akzente zur Weiterentwicklung in der Familien-, Integrations- und Bildungspolitik" setzt. Sie setzt durch, was Sarrazin für richtig hält. Dazu gehören Maßnahmen, die bis dahin besonders umstritten und "immer wieder als sozial ungerecht" kritisiert worden waren", wie die Konzentration finanzieller Unterstützungsleistungen für Familien auf  Anreize zur Steigerung von "Geburten von Frauen mit mittlerem und hohem Bildungsstand". Die Zahl der Geburten pro Frau steigt auf 2,1, und die "qualitativen Veränderungen" in der Zusammensetzung der Bevölkerung, die Sarrazin zuvor angeprangert hatte, kehren sich um. Dank unterschiedlicher finanzieller Anreize und Gegenanreize für verschiedene Bevölkerungsgruppen liegt die Fruchtbarkeit bei "Schichten mit höherer Bildung" noch über dem erreichten Gesamtdurchschnitt von 2,1 Geburten pro Frau, und "bei den Migranten aus Nah- und Mittelost sowie aus Afrika" unter den Gesamtdurchschnitt. Von Investitionen für Bildung ist nicht die Rede; wie an anderer Stelle im Buch abgehandelt, wird gerade im Bildungsbereich nach Sarrazins Ansicht schon zuviel Geld verschwendet. Ganztagsschule ist aber Pflicht, Lehrpläne ändern sich entsprechend Sarrazins Vorstellungen, und es gibt Kopftuchverbot an Schulen. Man sieht immer weniger Frauen mit Kopftuch, die Kinder werden intelligenter, Deutschland ist wieder gut aufgestellt für den internationalen Wettbewerb.
In dem anderen Szenario, dem Alptraum, gibt es dieses Attentat nicht. Es  fehlt überhaupt an Aufrüttelung. Der Niedergang vollzieht sich zwar innerhalb weniger Generationen ziemlich schnell, aber in einem andauernden Zustand der Eingelulltheit. Die 2017 gewählte schwarz-grüne Bundesregierung unter Führung von Angela Merkel tritt an zu einer Zeit, als die Wirtschaftskrise überwunden scheint und in der Politik eine gewisse Selbstzufriedenheit herrscht. Jürgen Trittin sagt im Wahlkampf 2017, dass ihm 50 Prozent Araber lieber wären als fünf Prozent Rechtsradikale, und  nach der Wahl folgen am laufenden Meter politische Entscheidungen wie in einer Parodie über Gutmenschen und Umarmer vom Dienst. Es folgen der Niedergang der deutschen verarbeitenden Industrie und der deutschen Kultur.


Anmerkungen:

Über die Tradition der Vermittlung eugenischer Theorien durch utopische Szenarien (Socio-Fiction) siehe auch auf diesem Blog „Der Traum vom genetisch korrekten Staat“ mit den Beispielen vom „Eugenischen College von Kantsaywhere“ (Francis Galton) und vom „Reich Artam“ (Volkmar Weiss);

Wie man eine Regierung ermächtigt, der realen Gefahr von Terroranschlägen wirksam zu begegnen, sich dabei aber nicht durch Furcht manipulieren lässt, das ist und bleibt eine Herausforderung für Wähler. Einige nachdenkliche Köpfe haben sich z.B. in den USA während der Ära George W. Bush mit diesem Thema auseinandergesetzt. Wer sich dafür interessiert, findet reichlich Material (in englischer Sprache) mit der  Suchwort-Kombination Bush Trifecta. Kolportiert wird ein Zitat von George W. Bush, das besonders durch einen Artikel von Paul Krugman in der New York Times (NYT) vom 07.12. 2001 eine gewisse Bekanntheit erlangte. Kurz nach den Anschlägen vom 11. September soll Bush gesagt haben: „Lucky me, I hit the trifecta“, also etwa “Ich Glücklicher, ich habe die Dreierwette gewonnen“. Bush, so Krugman (und andere Berichterstatter) habe wiederholt versprochen, einen Haushaltsüberschuss zu erzielen, der mindestens so groß sein sollte wie die Überschüsse aus den Sozialversicherungsbeiträgen – außer im Fall einer Wirtschaftskrise, eines Kriegs oder eines nationalen Notfalls. Nun habe er, wenn auch scherzhaft, Freude darüber zum Ausdruck gebracht, dass alle drei Anlässe, das Versprechen nicht einhalten zu müssen, auf einmal eingetreten seien. Kritiker brachten diese salopp erscheinende Einstellung mit Untersuchungsberichten in Verbindung, wonach die Anschläge mit relativ einfachen Mitteln hätten verhindert werden können. Auch die von Bush gewährten Steuererleichterungen für Reiche wurden mit der Entschuldigung, wegen der „Trifecta“ seien die Haushaltsversprechen hinfällig, in Verbindung gebracht (sie waren allerdings schon vor dem Terroranschlag beschlossen worden).
Paul Krugman, „Hitting the Trifecta“ (NYT, 07.12. 2001): URL http://www.nytimes.com/2001/12/07/opinion/hitting-the-trifecta.html;
David Cogswell, “
Bush's Trifecta: Control Through Fear” (29.06.2002): URL http://www.davidcogswell.com/Political/BushTrifecta.html

Sarrazin tritt dafür ein, dass der Staat sozusagen mit Zuckerbrot und Peitsche das Fortpflanzungsverhalten schichtenspezifisch lenken soll. Dabei fehlt es – selbst in Deutschland – an Rahmenbedingungen, die eine selbstbestimmte Familienplanung für alle Frauen und Familien erleichtern.
Wie z.B. der SPIEGEL berichtete (Artikel von Guido Kleinhubbert,15.03.2010), ist seit der Einführung von Hartz IV die Zahl ungewollter Schwangerschaften offenbar gestiegen.
„Organisationen wie Pro Familia, die Caritas und das Diakonische Werk sind sich da ziemlich sicher. In ihren Schwangerenkonfliktberatungen geben immer mehr Frauen an, dass sie sich eine sichere Verhütung nicht leisten können. … Bis zur Einführung von Hartz IV konnten Sozialhilfeempfängerinnen Extrazahlungen für Verhütungsmittel beantragen. Heute erhalten in der Regel nur noch jüngere Frauen unter 20 Jahren die Pille umsonst. Bei den anderen sieht der Hartz-IV-Regelsatz pauschal 13,18 Euro für Gesundheitspflege vor. Wer bei Ernährung, Kleidung oder Genussmitteln nicht spart, bekommt deshalb leicht Finanzierungsprobleme: Die Pille schlägt monatlich mit 10 bis 15 Euro zu Buche, eine Spirale, die bis zu fünf Jahre wirkt, kostet zwischen 150 und 350 Euro. ‚Eine selbstgestaltete Sexualität und Familienplanung sind unter diesen Bedingungen zumindest für manche Frauen nur noch schwer möglich‘, urteilt die Freiburger Soziologieprofessorin Cornelia Helfferich.“
Über Familienplanung als Menschenrecht und nötige Voraussetzungen zur Umsetzung dieses Rechts siehe auch den Artikel „40 Jahre Menschenrecht auf Familienplanung“ vom 11.07.2008 auf „REGIERUNGonline“; http://www.bundesregierung.de/nn_914534/Content/DE/Archiv16/Artikel/2008/07/2008-07-11-weltbevoelkerungstag.html

Nach Angaben des Weltbevölkerungsfonds der Vereinten Nationen, UNFPA, liegt die Zahl der Geburten pro Frau in der Türkei derzeit bei 2,1, also bei genau dem Wert, den Sarrazin in seinem Traum für Deutschland sieht.
Turkey - UNFPA Turkey. Overview. Turkey is a middle-income developing country that has ... Its total fertility rate has declined to 2.1 lifetime births per woman, ...www.unfpa.org/webdav/site/global/shared/CO.../Turkey_b4_9.30.doc

Veraltet ist auch Gunnar Heinsohns These von der "demografischen Hochrüstung" der Palästinenser, deren Einfluss in Sarrazins auf „Araber“ bezogene Annahmen erkennbar ist; siehe auf diesem Blog