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Dienstag, 25. Juni 2013

Vom Gutmenschentum gründlich befreit. - Heimerziehung nach Haasenburg Art

"Wir haben uns vom Gutmenschentum befreit und nutzen normale betriebswirtschaftliche Prozesse",
sagte der Hamburger Sozialunternehmer Andreas Heinecke im April 2011 einer beeindruckten SPIEGEL-Redakteurin.
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Heineckes eigene Unternehmen, die offenbar zu Recht sehr gelobt werden, haben nichts mit den Vorwürfen zu tun, die gegen einen Betreiber von Heimen für schwer erziehbare Kinder und Jugendliche, die Haasenburg GmbH, erhoben wurden und derzeit geprüft werden.
Aber der "Zeitgeist", der aus seinen Worten spricht, ist bezeichnend:
Als müsse erst das "Gutmenschentum" überwunden werden, bevor betriebswirtschaftliche Kompetenz in das Management subventionierter, gemeinnütziger Maßnahmen einziehen kann.

Nicht wirklich neu: Das "Outsourcen" von Heimerziehung an
private Unternehmer - und Probleme mangelnder
Rechenschaftspflicht . Illustration aus "Oliver Twist" von
Charles Dickens: Oliver tanzt aus der Reihe und bittet
um einen Nachschlag. Alle sind starr vor Entsetzen.
Die Heimleitung spart an Ausgaben für die Kinder und
verkauft dies als nötige Disziplinierung der aus desolaten
Verhältnissen stammenden jungen Menschen. - Bildquelle:
http://www.empireonline.com/news/story.asp?NID=36482

Zur betriebswirtschaftlichen Kompetenz gehört aber auch die Qualitätssicherung der, im Falle von Sozialunternehmern, oft vom Staat bezahlten oder subventionierten Leistungen. Wer bestimmt die Standards von Qualität, wer sorgt dafür, dass sie eingehalten werden?









Der Stadtstaat Hamburg - und andere Bundesländer - müssen sich nun mit der Frage auseinander setzen, ob sie sich bei der Vergabe von Verträgen für die geschlossene Heimunterbringung schwer erziehbarer Jugendlicher an einen privaten Sozialunternehmer, die Haasenburg GmbH in Brandenburg, genügend um Standards und deren Einhaltung gekümmert haben. Es scheint, als ob letztlich doch auch eine gewisse Dosis "Gutmenschentum" erforderlich ist, um in Verhandlungen zwischen öffentlichen Auftraggebern und privaten Sozialunternehmern Interessenkonflikte zu vermeiden und das öffentliche Interesse wahrzunehmen.


Das Stichwort "Haasenburg" erscheint auf diesem Blog bisher nur in der Kommentarfunktion, und zwar auf

http://guttmensch.blogspot.com/2011/04/vermehrung-der-minderwertigen-eine.html
Ausgangsfrage: Wie werden sich Erzieher - und "Sozialunternehmer" als Betreiber von Kinderheimen - Kindern gegenüber verhalten, wenn sie meinen, es mit "Minderwertigen" zu tun zu haben, deren Schicksal "mit der Geburt besiegelt" ist?
Interessant auch der Hinweis auf die Webseite www.daarwin.de (Software für Qualitätsmanagement in Sozialeinrichtungen; gegenseitige Referenz Haasenburg GmbH und daarwin(R) Beratungsgesellschaft MBH

http://guttmensch.blogspot.com/2013/02/stoff-aus-den-fuehrerschulen.html
Ausgangsfrage:
Welche Werte vertritt der "Internationale Bund" (IB), eine sehr etablierte Organisation im Bereich der Jugend-und Sozialhilfe, die als Kooperationspartner und Reputationshelfer der Haasenburg GmbH auftritt?
Die Suche führte auch zur Gründungsgeschichte des IB und zur Biographie des IB Initiators und ehemaligen HJ-Funktionärs Heinrich Hartmann. (Bitte selber googeln, sonst heißt es wieder, immer diese Nazi-Geschichten, kann damit nicht endlich mal Schluss sein? - Der IB macht, soweit man aufgrund einer kurzen Internet-Recherche sagen kann, nicht den Eindruck, Erbe aus der Zeit mit sich herum zu schleppen.)


In die Schlagzeilen geriet die Haasenburg u.a. wegen ihres umstrittenen, wie aus einem anderen Zeitalter anmutenden "Erziehungs"-Konzepts und wegen von ehemaligen Insassen erhobenen Missbrauchs-Vorwürfen. Jedes "Privileg", z.B. auch ein Anruf bei der Mutter, muss, so wird berichtet, mit Chips bezahlt werden, die mit Wohlverhalten im Sinne der Heimregeln zu erwerben sind.

Aber nicht nur über brutale Disziplinierung wurde berichtet, sondern auch über besondere Privilegien; z.B. das Anschauen von Horror-Videos.  ...

Lausitzer Rundschau, 25. April 2012
Die Haasenburg – ein ungewöhnliches Geschäftsmodell
  Cottbus. Wie viel Gewinn darf ein privates Kinderheim machen? Regelungen
gibt es nicht, obwohl der Steuerzahler für die Kosten aufkommt. Die

Haasenburg im Unterspreewald hat rund drei Millionen Euro Gewinn in

Krediten angelegt.

Die Haasenburg in Neuendorf (Dahme-Spreewald) ist ein ganz besonderes
Heim für Kinder und Jugendliche. Hier werden seit 2002 extrem schwierige
Fälle aus ganz Deutschland aufgenommen und intensivpädagogisch betreut.
Durch viel Personal kann auch eine de facto geschlossene Unterbringung
angeboten werden. Die Einrichtung mit Häusern im Unterspreewald, am
Schwielochsee und östlich von Berlin hat insgesamt 114 Plätze und ist
die einzige mit einem solchen Angebot in Brandenburg.
Dafür bezahlen Jugendämter aus ganz Deutschland sehr viel Geld. Ein
Platz kann bis zu 10 000 Euro pro Monat kosten. Die mit der intensiven
Betreuung begründeten hohen Preise sind jedoch nicht die einzige
Besonderheit der Haasenburg.
Für die Vereinbarung, was ein Platz in der Haasenburg kosten darf, ist
das Jugendamt Dahme-Spreewald zuständig. Die seit 2005 als GmbH geführte
Privatfirma hat dort ihren Hauptsitz. "Die Verhandlungen mit uns werden
fast ausschließlich durch eine renommierte Fachanwaltskanzlei geführt",
sagt Jugendamtsleiter Hubert Lautenbach. ...
Im Januar wurde nach zweijähriger Verhandlung die jüngste
Einigung erzielt. Zwei Mal schon musste eine Schiedsstelle bemüht
werden. "Mit anderen Trägern ist das nicht so", sagt Lautenbach.
Er bestätigt, dass für Plätze in der Haasenburg mehr als 300 Euro pro
Tag bezahlt werden. Die mit dem Landkreis vereinbarten Preise gelten
bundesweit für alle Jugendämter, die Klienten in den Unterspreewald
schicken. Das scheint sich wirtschaftlich zu lohnen. ...
Eigentümerin der Haasenburg GmbH ist die JCD-Beteiligungs GmbH, die dem
Haasenburg-Gründer Christian Dietz und seiner Frau gehört. Die Bilanzen
der Haasenburg weisen seit Jahren Gewinne aus, die inzwischen insgesamt
auf rund drei Millionen Euro angewachsen sind.
Geschäftsführer Mario Bavar steht für Auskünfte über die Entwicklung des
Therapiezentrums und die Gewinnverwendung nicht zur Verfügung. Anfragen
beantwortet schriftlich als Beauftragter Hinrich Bernzen. Der bezeichnet
Kosten und Umsatz der Haasenburg GmbH als "den Aufwendungen
entsprechend". Zahlen nennt er nicht.
Die bisherigen Gewinne seien nicht ausgeschüttet, sondern zur Bildung
von Rücklagen eingesetzt worden, um weiter zu investieren, so Bernzen.
Das Geld sei sicher und zinsbringend angelegt "durch Vergabe von
Krediten an Partner". Wer die Partner sind, könne er zur Zeit nicht
sagen. Geschäftsführer Mario Bavar sei im Urlaub.
Zweifel, dass die sehr kostenintensive Betreuung in der Haasenburg immer
hält, was sie verspricht, kamen erstmals 2008 durch einen Prozess am
Cottbuser Landgericht auf. Ein damals 19-Jähriger musste sich wegen
versuchten Mordes und schwerer Körperverletzung verantworten. Ein Jahr
vorher hatte er als Bewohner der Haasenburg versucht, einer Betreuerin
in den Hals zu beißen. Auf einen Mitarbeiter ging er mit einer Schere
los. Er wurde dauerhaft in die Psychiatrie eingewiesen.
Trotz mehrfach geäußerter abnormer Sexual- und Kannibalismusfantasien
habe der zwei Meter große junge Mann in der Haasenburg Kraftsport
treiben und Horrorvideos anschauen dürfen, kritisierte das Gericht in
der Urteilsbegründung. Auch Zweifel an der Ausstattung mit Fachpersonal
wurden aktenkundig. Das Landesjugendamt Brandenburg bescheinigte dem
Heim jedoch später "keine schwerwiegenden Fehler" gemacht zu haben. ...
Dass Anspruch und Wirklichkeit in der Haasenburg nicht identisch seien,
behaupten Insider, die anonym bleiben wollen. "Da werden schöne Berichte
für die Jugendämter geschrieben, aber mit zu wenig Fachkräften und zu
viel unerfahrenen Kollegen gearbeitet", behauptet einer. Das Heim sei
eine "Gelddruckmaschine".
Übereinstimmend schildern mehrere Insider eine hohe Fluktuation, einen
rüden Umgang mit Mitarbeitern und schlechte Bezahlung. Es sei schwer,
hinter die Kulissen einer solchen Einrichtung wie der Haasenburg zu
schauen. Viele Jugendämter hätten daran auch nicht zu viel Interesse.
Die seien froh, ihre Probleme vom Tisch zu haben. ...


Simone Wendler

http://www.lr-online.de/nachrichten/Tagesthemen-Die-Haasenburg-ein-ungewoehnliches-Geschaeftsmodell;art1065,3770486


Aus
Kinderheim in Brandenburg: Der Horror am Waldrand - taz.de
15.06.2013
  Während die Kinder anfangs nicht einmal eigene Kleidung tragen dürfen, können
nach dem Punktesystem Annehmlichkeiten mit verdienten Chips erkauft werden:

„Rasieren (nur im Intimbereich)“: 7 Chips, also mindestens 7 Tage, an denen

gegen keine Regel verstoßen werden darf. Woanders heißt es: „bei Chipsverlust

kein Kuscheltier im Bett“.
http://www.taz.de/!118139/


Rasieren im Intimbereich gegen Chips für 1 Woche ohne Regelverstoß - darauf muss
man erst einmal kommen. Was für eine Art von "Erziehern" braucht man, um sich
soche Regeln auszudenken und ihre Einhaltung zu kontrollieren?
   
    Dazu neuer Post (7.7.2013)  http://guttmensch.blogspot.com/2013/07/intimrasur-gegen-chips-fur.html



Aus
Heimskandal in Brandenburg: Tod im Kinderheim - taz.de
Von Kaija Kutter, Kai Schlieter
27.06.2013
  ... Für Lena* muss die Zeit in der Haasenburg GmbH die Hölle gewesen sein.
So wie für jedes Kind galt auch für sie eine Liste mit Geboten und Verboten.

Auf ihrer „Was darf ich?“-Liste ist mit Datum vom 18. 6. 2007 notiert: „tagsüber

Helm, Knie- und Armschoner tragen“.

Unter Lenas „Was darf ich nicht?“-Liste steht: „nachts ohne Helm schlafen“;
ebenso: „eigenmächtig und selbständig handeln“; oder: „mit anderen Jugendlichen
Kontakt aufnehmen, wenn kein Erzieher dabei ist“ und: „selbständig Helm, Knie-
sowie Armschoner abnehmen, ohne vorher Erzieher zu fragen“. Endgültig los wurde
das Mädchen die stigmatisierenden Schützer mit dem Tod. ...
Lena starb, weil sie aus einem oberen Stockwerk der Haasenburg GmbH in Jessern
aus dem Fenster stürzte. ...
Unerbittlich musste das Mädchen den Helm tragen. Laut einer Gesprächsnotiz
bittet Lena die Erzieherin T., den Helm ablegen zu dürfen. Die Mitarbeiterin T.
entgegnet, der Helm müsse getragen werden, „solange wir es für nötig halten“.
Frau T. ist die Erzieherin, die Lena die Schützer am Todestag abnahm. Laut
internen Protokollen wird der Helm auch unter Zwang aufgesetzt.
Am 11. November 2006 wird Lena in den Anti-Aggressions-Raum gebracht. Um 9.45
Uhr wird ihr laut Protokoll erklärt, sie müsse „den Schutzhelm tragen, um sich
nicht selbst zu gefährden“. Schließlich: „Schutzhelm wird Lena aufgesetzt, soll
in der Mitte des Raumes stehen.“ Um 9.48 Uhr: „wirft Helm gegen die Tür […] wird
im Stehen begrenzt.“
9.50 Uhr: „Schutzhelm wird erneut aufgesetzt.“ 9.55 Uhr: „wirft Helm erneut
gegen Tür und tritt mehrmals dagegen […] (der Helm zerbricht) […] Sie steht
gemeinsam mit EZ im Festhaltegriff auf und bekommt Helm aufgesetzt.“ 10.05 Uhr:
„es wird neuer Helm geholt und ihr aufgesetzt, Konsequenz, wenn sie den Helm
nicht aufbehält und weiter eigengefährdendes Verhalten zeigt, wird sie auf dem
Bett begrenzt.“  ...
Auch an diesem Tag ist in den Dokumenten als Auslöser keine Selbstverletzung
vermerkt. „Auslösende Situation: Lena verweigert sich, mit einem Bleistift ihr
Tagesziel zu schreiben, wirft Bleistift aus Zimmer, tritt gegen Tür und hält
diese zu.“
Glücklicherweise hatte Lena im Heim Sandra*, ihre Freundin. Sie sagt der taz:
„Es tut mir leid, dass sie ihr Leben nicht mehr leben kann.“ In der Haasenburg
GmbH sei es für beide unerträglich gewesen. „Ich hätte an ihrer Stelle sein
können.“ Lena habe zwar gegen die Wände ihres Zimmers geschlagen, „aber das war
nicht gefährlich. Das war Trotz und Protest.“
Werner Thole von der Uni Kassel ist empört. Der Helm sei ein Eingriff in die
„körperliche Integrität von Heranwachsenden“, und diese Art Eingriffe seien „im
Rahmen erzieherischer Hilfen völlig unangebracht.“ Dies widerspreche den
„Grundsätzen einer humanen Kinder- und Jugendhilfe“.
Wenn der Helm wirklich nur dem Schutz des Kindes gedient haben sollte, macht ein
Dokument stutzig: So wird in einem Protokoll einer anderen Jugendlichen im
November 2008 vermerkt: „Schutzbekleidung als negative Konsequenz“. ...
Bei Lena kam es laut Protokoll am 24. Februar 2006 zu einer „Präventionsmaßnahme“.
Ihr Vergehen: „Sie versuchte mit dem Erzieher zu diskutieren und sich auf diese
Weise einen Vorteil zu verschaffen.“ Konsequenz: „Frau F. fordert Lena mehrmals
auf, sich umzudrehen und über die Situation zu reden. Doch auch diesen
Aufforderungen kam Lena nicht nach.“
Es erfolgt die pädagogische Intervention nach Art der Haasenburg GmbH: „Ansage,
dass, sollte sie sich weiter weigern, sie 10 Kniebeugen zu machen hätte.“ Die
Pubertierende weigert sich. „Daraufhin betrat ein weiterer Erzieher den Raum, um
Frau F. zu unterstützen.“ Weiter heißt es im Protokoll: „Es wurde versucht, Lena
bei den Kniebeugen zu helfen.
Lena verweigerte sich immer mehr und fing damit an, Frau F. anzugreifen.
Daraufhin wurde sie von den beiden Erziehern zu Boden gedrückt.“ Das
Landesjugendamt ist über die Behandlung von Lena informiert gewesen. Der taz
liegen mehrere „Meldungen einer Anti-Aggressionsmaßnahme“ vor, die immer an
dieselbe Zuständige im Landesjugendamt adressiert sind.
Am 2. Dezember 2006 bekommt die Sachbearbeiterin wieder eine solche Meldung über
eine dreistündige „Anti-Aggressionsmaßnahme“: „Die Jugendliche forderte sich auf
unangemessene Art und Weise ihre Handlungsalternativen ein.“ Weiter heißt es
rechtfertigend, dass sie mit „oppositionellem Trotzverhalten und
eigengefährdendem Verhalten reagierte“. Über Helm, Knie- und Armschoner ist
nichts vermerkt.

http://www.taz.de/!118837/

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In jedem steckt ein Folterknecht | Soundcheck | Juni 2004 | NZZ Folio
Das Stanford-Prison-Experiment machte 1971 aus friedliebenden Studenten grausame
Gefängniswärter.
Von Reto U. Schneider
  ... «Das menschliche Verhalten hängt viel stärker von äusseren Umständen ab, als wir wahrhaben wollen», schrieb [Philip] Zimbardo in einem Kommentar über den Folterskandal [vom Gefängnis Abu Ghraib in Bagdhad] im «Boston Globe».

[Der Psychologe von der Universität Stanford ...] muss es wissen. Er hatte vor dreissig Jahren selbst ein Gefängnis geschaffen, in dem gefoltert wurde.

Im Frühling 1971 gab Zimbardo in der «Palo Alto Times» eine Annonce auf:
«Männliche Studenten gesucht für psychologische Untersuchung des Gefängnislebens. $ 15 pro Tag für 1–2 Wochen.» Aus den Bewerbern teilte er 21 ganz normale Studenten, die in Persönlichkeitstests als ehrlich, zuverlässig und beständig auffielen, per Münzwurf zwei Gruppen zu. Elf sollten die Gefangenen
spielen, zehn die Wärter.

Die Gefangenen wurden in das Gefängnis gebracht, das Zimbardo im Kellergeschoss
des Psychologiegebäudes hatte einrichten lassen. Drei kleine Zellen, ein enger Kasten als Isolationszelle, ein neun Meter langer Korridor, der als Hof für Inspektionen gebraucht und von einer Videokamera überwacht wurde.

Die Wärter bekamen Uniformen, eine Trillerpfeife, eine reflektierende Sonnenbrille und einen Gummiknüppel. Sie arbeiteten in Achtstunden-schichten und erhielten die Anweisung, «die für den effizienten Betrieb des Gefängnisses nötige Ordnung aufrechtzuerhalten».

Die Gefangenen mussten Gefängniskleider anziehen: eine Art weisse Schürze mit
Nummern vorne und hinten, unter der sie keine Unterwäsche tragen durften,
Plasticsandalen und einen Nylonstrumpf als Kappe.

Zimbardo versuchte während der kurzen Zeit der Simulation in seinen Gefangenen
die gleichen Gefühle zu wecken, die richtige Häftlinge nach längerer Zeit haben:
Abhängigkeit, Machtlosigkeit und Hoffnungslosigkeit. Die Kleider hatten das
Ziel, die Gefangenen zu erniedrigen und ihnen ihre Individualität zu rauben.

Interessanterweise hatte Zimbardo keine eigentliche Hypothese, was in einer solchen Situation geschehen würde. Das etwas diffus formulierte Ziel des Experiments war es, herauszufinden, «welche psychischen Auswirkungen es hat, wenn man Gefangener oder Strafvollzugsbeamter ist». Er wollte verstehen, wie die Gefangenen ihre Freiheit, Unabhängigkeit und Privatsphäre verlieren, während die
Wärter an Macht gewinnen, indem sie das Leben der Gefangenen kontrollieren.

Frühere Experimente hatten gezeigt, wie leicht sich normale Leute zu üblen Taten
hinreissen liessen, wenn sie in einer Gruppe nicht mehr als Individuen  wahrgenommen wurden oder wenn man sie in eine Situation brachte, in der sie andere Menschen als Feinde oder Objekte sahen.

Die Wärter stellten schon bald absurde Regeln auf, disziplinierten die Gefangenen willkürlich und gaben ihnen sinnlose Aufgaben: Kisten von einem Raum in den anderen tragen und wieder zurück, die Toilette mit blossen Händen putzen, stundenlang Dornen aus ihren Decken entfernen (die Wärter hatten die Decken zuvor durch Dornbüsche geschleift). Und es wurde ihnen befohlen, Mitgefangene zu
verhöhnen oder sexuelle Handlungen mit ihnen zu simulieren.

Nach weniger als 36 Stunden musste Zimbardo den Gefangenen 8612 wegen extremer
Depressionen, unkontrollierter Weinkrämpfe und Wutausbrüche entlassen. Er zögerte zuerst damit, weil er glaubte, der Student gebe bloss vor, am Ende zu sein. Für Zimbardo war es unvorstellbar, dass ein Versuchsteilnehmer in einem simulierten Gefängnis nach so kurzer Zeit derart extreme Reaktionen zeigte.

Sowohl für die Gefangenen als auch für die Wärter verwischten sich die Grenzen zwischen Experiment und Realität. Je länger das Experiment dauerte, desto häufiger mussten die Bewacher daran erinnert werden, dass keine körperliche Gewalt erlaubt war. Die Macht, die ihnen das Experiment gab, machte aus pazifistisch eingestellten Studenten sadistische Gefängniswärter. Selbst
Zimbardo verhielt sich sonderbar. Eines Tages glaubte eine der Wachen, die
Gefangenen bei der Planung eines Massenausbruchs belauscht zu haben. Zimbardo
ging zur Polizei von Palo Alto und wollte die Gefangenen in das alte
Stadtgefängnis transferieren. Als die Polizei ablehnte, wurde er wütend und
beklagte den Mangel an Kooperation zwischen den Gefängnissen. Zimbardo selbst
war Gefängnisdirektor geworden.

Am vierten Tag stellte Zimbardo aus Doktoranden und Abteilungssekretärinnen des Instituts einen Bewährungsausschuss zusammen, dem die Gefangenen einen Antrag  auf vorzeitige Entlassung stellen konnten. Fast alle waren bereit, auf die 15 Dollar pro Tag zu verzichten, wenn sie rauskämen. Der Bewährungsausschuss schickte sie in die Zellen zurück, während er über die Anträge beriet.

Erstaunlicherweise gehorchten alle Gefangenen, obwohl sie ihre Teilnahme am Experiment einfach hätten beenden können, wenn sie ohnehin auf das Geld verzichteten. Doch dazu hatten sie nicht die Kraft. «Ihr Realitätssinn hatte sich verschoben», schrieb Zimbardo, «sie nahmen ihre Gefangenschaft nicht mehr als ein Experiment wahr. In dem psychologischen Gefängnis, das wir kreiert
hatten, hatte nur das Strafvollzugspersonal die Macht, vorzeitige Entlassungen zu bewilligen.»

Inzwischen tauchte ein Anwalt auf, den die Eltern eines Studenten kontaktiert hatten, um ihren Sohn herauszuholen. Er besprach mit dem Gefangenen, wie sich die Kaution auftreiben liesse, und versprach nach dem Wochenende wiederzukommen – obwohl auch er wusste, dass es hier um ein Experiment ging und die Frage nach einer Kaution absurd war. Zu diesem Zeitpunkt war für alle Beteiligten völlig
unklar, wo ihre Rolle aufhörte und wo ihre eigene Identität begann.

Fünf Tage nach Beginn des Experiments, am Donnerstagabend, besuchte Zimbardos Freundin und spätere Frau Christina Maslach das Gefängnis. Sie war Psychologin und hatte sich bereit erklärt, die Gefangenen am nächsten Tag zu interviewen. Es war nicht besonders viel los, und Maslach las im Kontrollraum einen Artikel.

Etwa um 23 Uhr klopfte Zimbardo ihr auf die Schulter und zeigte auf den Bildschirm. «Schnell, schnell – schau dir das an.» Maslach schaute auf, und es wurde ihr sofort übel. Die Wärter schrien auf eine Reihe an den Füssen aneinandergeketteter Gefangener ein, deren Köpfe in Papiersäcken steckten. Es war der Gang zur Toilette vor dem Schlafengehen. In der Nacht mussten die
Gefangenen ihre Notdurft in der Zelle in einen Eimer verrichten, dessen Leerung
die Wärter willkürlich verweigerten. «Siehst du das? Komm schon, schau es dir an
– das ist wirklich erstaunlich.» Doch Maslach hatte keine Lust.

Als Zimbardo sie beim Verlassen des Gefängnisses fragte, was sie vom Experiment
halte, schrie sie ihn an. «Es ist entsetzlich, was du diesen jungen Leuten antust!» Es kam zu einem hitzigen Streit, in dessen Verlauf Zimbardo merkte, dass alle am Experiment beteiligten Personen die zerstörerischen Werte des Gefängnislebens verinnerlicht hatten. Schliesslich entschied er sich, den
Versuch am nächsten Morgen zu stoppen.

Der Verlauf des Experiments zeigt erstaunliche Parallelen zur Situation in Bagdad: Nicht dazu ausgebildete Soldaten fanden sich plötzlich in der Rolle mächtiger Gefängniswachen. Die Vorgesetzten hatten keine Erfahrung und griffen nicht ein. Hinzu kamen die militärische Geheimhaltung und widerstreitende Interessen von Wachen und Verhörspezialisten.

«Jede Tat, die je ein Mensch begangen hat, wie schrecklich auch immer, kann jeder von uns begehen – unter dem richtigen oder falschen Druck einer bestimmten Situation», schrieb Zimbardo nach dem Experiment. «Dieses Wissen entschuldigt das Böse nicht, es demokratisiert es eher, teilt die Schuld unter normalen Leuten auf, anstatt sie zu verteufeln.» ...
Aus einer Bilderserie vom
"Stanford Prison Experiment".


Unter www.prisonexp.org gibt es Bilder, Filme und weitere Informationen zum Stanford-Prison-Experiment.
Der deutsche Spielfilm <Das Experiment> (2001) basiert auf den Ereignissen in Stanford. Philip Zimbardo hält ihn für eine reisserische Vereinfachung.
http://folio.nzz.ch/2004/juni/jedem-steckt-ein-folterknecht



Muss man sich wundern, wenn derzeitige Insassen der "Haasenburg" die mittlerweile eingerichtete Hotline nicht nutzen?
(Wie viele Chips würden sie wohl brauchen, um das zu dürfen?)
Ehemalige Insassen haben sich allerdings gemeldet, und eine Untersuchungskommission
wurde vor einigen Tagen eingesetzt.


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Sowas nennt man wohl Pressearbeit
Ein Blick in das Archiv der Berliner Zeitung: Lobhudelei für die Haasenburg und ein Streiflicht auf die Pressearbeit der Berliner Polizei in der Ära DWDS („Dieter Will Das So“)


"Platz gibt es genug" und "Die Kinder erhalten sogar Schulunterricht" - Begeisterung, fast Schleichwerbung für private Anbieter geschlossener Heimunterbringung (in der BZ, 2007)

Polizeipräsident möchte kriminelle Kinder in Heimen unterbringen. Platz dafür gibt es genug, doch niemanden, der es bezahlen möchte: Ab in die Hasenburg | Archiv - Berliner Zeitung
Von Andreas Kopietz
12.06.2007

Was tun mit Kindern, die immer wieder klauen, prügeln und rauben?
Einige haben schon 40 Straftaten auf dem Gewissen. Doch die Polizei muss sie immer wieder laufen lassen, weil sie noch nicht 14 und strafmündig sind. ...
Weil ein 13-Jähriger, der auf der Straße einen Raub begeht, juristisch nicht zur Verantwortung gezogen werden kann, bleibt dem Jugendamt oft nur Eines: die Unterbringung des Kindes in einem Heim, wo es mehrere Monate oder Jahre nach strengen Regeln lebt und Werte vermittelt bekommt und ein Leben ohne Straftaten überhaupt erst lernt. Diese Chancen lässt Berlin zum großen Teil ungenutzt. "Nur ein Kind ist derzeit in einem Heim untergebracht", sagte eine Sprecherin der
Senatsjugendverwaltung gestern. Nach Angaben der Sprecherin stehen Berlin mindestens 26 Plätze in Brandenburger Einrichtungen zur Verfügung. Bei Bedarf könnten Bezirksämter weitere Verträge mit Einrichtungen in anderen Bundesländern schließen.
Zuständig für die Heimunterbringung ist das jeweilige Jugendamt. Die Entscheidung erfolgt entweder im Einvernehmen mit der Familie oder auf Beschluss des Familiengerichts. Ein Betreuer und zwei Kinder Bei den Einrichtungen mit Namen wie "Hasenburg", "Weidenhof" oder "Insel" handelt es sich unter anderem um abgelegene Bauernhöfe, die von freien Trägern betrieben werden. Sie liegen an abgelegenen Orten, die Abhauen unattraktiv machen. Der Tagesablauf ist streng geregelt, die Bewohner werden "verbindlich betreut". Die Kinder erhalten sogar Schulunterricht, der Betreuerschlüssel liegt in der Regel bei 1:2 - ein Betreuer ist für zwei Kinder verantwortlich. Polizeipräsident Dieter Glietsch wundert sich, dass die Jugendämter nicht stärker das Angebot nutzen. Er befürwortet ein Konzept "Menschen statt Mauern", bei dem sich Sozialarbeiter um straffällige Jugendliche kümmern. Eigentlich rennt er damit in den Bezirksämtern offene Türen ein.
"Kriminelle Kinder oder Jugendliche aus ihrem Milieu raus zu nehmen und weit weg in die Wallachei zu schicken, ist sehr sinnvoll", sagt etwa Peter Schulz, zuständiger Fachbereichsleiter in Mitte. "Dies sollte aber sehr gezielt geschehen. Es geht nicht darum, die Kinder einfach wegzuschließen, sondern ihnen einen pädagogischen Bezug zu geben." …



Der Ort für jugendliche Straftäter und Schulschwänzer: Noch 2010 wurde die "Haasenburg" verniedlichend ("Keine Drogen, früh aufstehen und höflich sein") propagiert als Gegenmodell zu anderen Häusern, in denen angeblich Zigaretten, Alkohol und Joints kreisen würden. Selbst wenn - und gerade wenn - an der Beschreibung "anderer Häuser" etwas dran sein sollte, stellt sich die Frage: Wer kümmert sich eigentlich wirklich um die Überwachung geschlossener Jugendeinrichtungen?


MINDERJÄHRIGE STRAFTÄTER - Der elfjährige Drogenhändler tanzt Polizei und
Sozialarbeitern auf der Nase herum. In Neuendorf am See lernen Jugendliche den Alltag
Archiv - Berliner Zeitung

Keine Drogen, früh aufstehen und höflich sein
Von Mechthild Henneke  24.07.2010

... eine Idylle, nur rund 60 Kilometer südöstlich von Berlin, doch ganze Welten entfernt von der Hauptstadt. Bei ihrer Fahrt wird kaum ein Besucher das Heim Haasenburg entdecken. ...
Ein ehemaliges Ferienheim des DDR-Gewerkschaftsbunds FDGB beherbergt seit zehn Jahren Kinder und Jugendliche, denen der Absturz droht. ...
Es sind Mädchen, die sich prostituieren, Jugendliche, die Drogen nehmen, Schulschwänzer und Schläger, die in den Spreewald geschickt werden, um ihr Leben irgendwie wieder in den Griff zu
kriegen. Sie sind zwischen elf und 18 Jahren alt, insgesamt 45 Jungen und Mädchen  ...
Auf dem weitläufigen Gelände gibt es einen Fußball- und einen Volleyballplatz, Paddelboote, einen
Kletterturm, Fahrräder und ein Feuerwehrauto, das vor sich hinrostet. "Zwischen einem und drei Jahren bleiben die Jugendlichen im Durchschnitt bei uns", sagt Mario Bavar, der 43-Jährige Geschäftsführer der Jugendhilfe-Einrichtung. Er will sie "in die Mitte der Gesellschaft" zurückführen, sagt Bavar. Seine Strategie ist die der kleinen Schritte und die von Regeln und Gesetzen: früh aufstehen, Schule, Freizeitaktivitäten - alles nach einem Plan, der Regelmäßigkeit
schafft - nicht nur im Sinne von Wiederholung, sondern auch von dem Jugendschutz entsprechendem Verhalten: Rauchen verboten, Alkohol verboten, andere Drogen sowieso. Das sei nicht selbstverständlich, sagt Bavar. In Häusern anderer Betreiber ließen Erzieher bei Gesprächen mit Jugendlichen auch mal einen Joint kreisen, um Gemeinschaft herzustellen und so die Gesprächsbereitschaft zu fördern. Bavar lehnt das ab, seine Einrichtung gilt in der Szene als streng...." ...
Schritt für Schritt soll den Jugendlichen ihre Entscheidungsgewalt zurückgegeben werden. Wo früher Sucht oder Zwang standen, soll die Freiheit treten, Nein zu sagen. ...
Foto: Letzte Rettung Haasenburg ...


Von der gleichen Webseite der BZ aus kann man auch aktuelle Artikel zu den Missbrauchsvorwürfen und den eingeleiteten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft anklicken, z.B.:
Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Heime
Sind in Brandenburger Heimen tatsächlich Kinder und Jugendliche drangsaliert
worden? In die Vorwürfe soll Klarheit kommen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt,
ein Landtags-Sonderausschuss kommt zusammen, eine Kommission... mehr...
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Und auch dies:
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Pressearbeit und grüner Füller: Polizeipräsident Dieter Glietsch
Morgen wird Polizeipräsident Dieter Glietsch in den Ruhestand verabschiedet.
Nicht alle sind traurig: Der Mann mit den zwei Gesichtern | Archiv - Berliner Zeitung
26.05.2011
Der Mann mit den zwei Gesichtern
Von Andreas Kopietz
 
Das Kürzel DWDS kennt fast jeder in der Berliner Polizei. Es steht für "Dieter will das so" und bezeichnet recht treffend den Führungsstil von Polizeipräsident Dieter Glietsch. Er wird morgen von Innensenator Ehrhart Körting (SPD) in den Ruhestand verabschiedet. Wenn man so will, ist der heute 64-Jährige, der im Mai 2002 zum Polizeichef ernannt wurde, ein Mann mit zwei Gesichtern. Da wäre jener Dieter Glietsch, der aus der Behörde eine moderne Hauptstadtpolizei gemacht hat. Er ist ein Mann, der von seinen Mitarbeitern maximalen Einsatz fordert, der einen messerscharfen Verstand hat - und, wenn man genau zuhört, einen feinen Humor. Und da wäre jener Dieter Glietsch, der als Kontrollfreak gilt und von dem, wie Mitarbeiter sagen, eine Eiseskälte ausgeht.
Er gehört in der Behörde sowohl zu den meistgeachteten wie auch zu den meistgefürchteten Leuten. ...
Und handelte sich den Vorwurf der Opposition ein, politischen Vorgaben unwidersprochen zu folgen und nur ein Vollzugsorgan des Senats zu sein. Dazu zählt auch, dass Glietsch einen rigorosen Personalabbau durchsetzte, sodass die Behörde heute nur noch 21000 Mitarbeiter hat, von denen 16150 Vollzugsbeamte sind, also Polizisten, die Verbrecher jagen. ...
"Der Name Glietsch steht einerseits für eine völlige Neuordnung der Polizei", sagt Bodo Pfalzgraf, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft. "Andererseits steht er für beinharte Auseinandersetzungen mit den Personalvertretungen. Und für einen eigenwilligen Arbeitsstil. Alles, was diese Behörde jemals schriftlich verlassen hat, ging über seinen Tisch." Tatsächlich war Glietschs wichtigstes Arbeitsmittel ein grüner Füller, mit dem er seine Anmerkungen schrieb, auf
Entwürfe für Dienstanweisungen oder Antworten auf Pressefragen. Sein Bedürfnis, auch über Kleinigkeiten Bescheid zu wissen, führte dazu, dass ihm sämtliche wichtige Presseanfragen vorgelegt wurden. Im Laufe der Jahre kanalisierte er die Herausgabe von Informationen so stark, dass alles nur noch über die Pressestelle läuft. Niemand wagte es mehr - auch nicht Direktionsleiter, die ihren Enddienstgrad erreicht haben - ohne Genehmigung mit den Medien zu reden. Und wenn, dann nur inkognito. "Ein leitender Beamter" ist dann in den Zeitungen zu lesen. Oder ein "ranghoher Beamter". Das nennt Glietsch, der früher selbst einmal Journalist werden wollte, moderne Pressearbeit. Entsprechend steif erscheint die Polizei dann in der öffentlichen Wahrnehmung - obwohl sie es eigentlich nicht ist. Doch der Gedanke, dass die Berliner Polizei mehr Gesichter als nur die des Polizeipräsidenten und der Pressesprecher hat, ist für Glietsch unerträglich. Und so verschwanden populäre Beamte, die etwa Experten bei der Aufklärung von Mordfällen oder Kindesmissbrauch waren, von der öffentlichen Bildfläche. Sie wurden in andere Abteilungen versetzt.
Überhaupt führte Glietsch ein Rotationsprinzip für Beamte ein, wie schon in NRW. Die Beamten sollten auch andere Bereiche der Behörde kennenlernen. ... Beamte, die sich hervorragend mit jugendlichen Gewalttätern auskannten, fuhren nun Funkwagen. Ein Spezialist für arabische Großfamilien, der arabisch spricht, wurde ebenso versetzt wie ein Dezernatsleiter, der in der
Rockerszene genau Bescheid wusste und dann Drogenhändler in der U-Bahn jagte.
Lauten Widerspruch aus den eigenen Reihen habe er nur selten bekommen, sagt ein Glietsch-Vertrauter. Das sagt auch etwas über die Mentalität in der Truppe, in der dann eben hinter der Hand gelästert wird: "DWDS". Dieter will das so. ...
http://www.berliner-zeitung.de/archiv/morgen-wird-polizeipraesident-dieter-glietsch-in-den-ruhestand-verabschiedet--nicht-alle-sind-traurig-der-mann-mit-den-zwei-gesichtern,10810590,10789072.html



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Ergänzung 08. Januar 2014


Qualitätsmanagement
mit Daarwin



Die Betriebserlaubnis der Haasenburg Heime wurde aufgrund der Ergebnisse des Untersuchungsausschusses nicht verlängert (siehe
http://guttmensch.blogspot.com/2013/07/intimrasur-gegen-chips-fur.html).

Über das Qualitätsmanagement in den Haasenburg-Einrichtungen mit dem patentierten System QM-Center®, einer Software für Qualitätsmanagement in sozialen Einrichtungen, sind kaum Informationen zu finden. Aber auf der Webseite der Firma Daarwin (Anbieter von QM-Center®) findet sich weiterhin das Kundenprofil der Haasenburg; Stand 20.09.2011.
Link:
http://www.daarwin.de/news-archiv/items/260.html

Auszug:
“Haasenburg GmbH
Mehr Effizienz bei Dokumentation und Verwaltung durch QM-Center®
Die Haasenburg GmbH ist ein Anbieter der stationären Kinder- und Jugendhilfe. Ihr Leistungsangebot umfasst intensivpädagogisch-, heil- und sozialtherapeutische Betreuung für Kinder  und Jugendliche in vielfältigen Betreuungssettings.
An vier Standorten, in Brandenburg und Sachsen, werden die Kinder und Jugendlichen durch multiprofessionelle Teams betreut. Es findet eine psychologische und altersgerechte Betreuung statt. Angeboten werden zudem vielfältige Sportbetätigungen, Computertraining und eine umfangreiche Freizeitgestaltung.
Es bestehen Kooperationsverträge mit dem Institut für Verhaltenstherapie, der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie und der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie in Lübben.
QM-Center® wird an allen Standorten und in allen Bereichen der Verwaltung, Pädagogik und Leitung eingesetzt.
Tim Berndt, Verwaltungsleiter der Haasenburg GmbH zu QM-Center®:
„Wir gehen davon aus, dass wir mit Hilfe von QM-Center unsere Dokumentations- und Verwaltungsaufgaben effizienter bearbeiten können. Zudem vereinfacht das durchdachte System die Anwendung einheitlicher Standards.“
Wir bedanken uns für das entgegengebrachte Vertrauen und freuen uns auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit der Haasenburg GmbH.”



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Weitere Ergänzung 08. Januar 2014

Aus der Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie,
Psychosomatik und Psychotherapie (DGKFP) zur Schließung der Jugendhilfeeinrichtungen der "Haasenburg GmbH";
eingestellt auf der Webseite der DGKJP am 03. Dezember 2013

http://www.dgkjp.de/aktuelles/stellungnahmen/183-stellungnahme-der-dgkjp-zur-schliessung-der-jugendhilfeeinrichtungen-der-haasenburg-gmbh

[...] Der uns vorliegende Abschlussbericht der eingesetzten Expertenkommission lässt
außer einer Schließung der Einrichtung aus unserer fachlichen Sicht keine andere
Konsequenz zu. [...]

Besonders betroffen macht uns, dass in dieser Einrichtung unter dem Deckmantel
von „Therapie“ Freiheitsentzug und Freiheitseinschränkungen durchgeführt worden
sind, die keiner externen Kontrolle unterlegen haben und die in ihrer
Durchführung Menschenrechte verletzt haben. Auch die Behauptung, es handele sich
bei entwürdigenden pädagogischen Maßnahmen um „Verhaltenstherapie“ ist
inakzeptabel. Der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und
Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie sieht sich dazu
verpflichtet, dies eindeutig klarzustellen, da insbesondere die so genannten
körperlichen „Begrenzungen“ und „Anti-Aggressionsmaßnahmen“ unter explizitem
Hinweis auf eine angebliche kinder- und jugendpsychiatrische Fundierung des
Vorgehens in der Einrichtung durchgeführt worden sind. 

Wir möchten betonen, dass die Verbindung der Einrichtungen der „Haasenburg GmbH“
zu Kliniken und Niedergelassenen in unserem Fachgebiet keinesfalls so eng war
wie in der Konzeption der Einrichtung behauptet. Dies wurde von der
Untersuchungskommission auch so festgestellt. Bis auf die Vorstellung einzelner
Jugendlicher zur Medikations­überprüfung waren Kinder- und Jugendpsychiater in
das Geschehen in der Einrichtung nicht einbezogen. Berichtete Methoden von
Zwangsausübung einschließlich zwangsweiser Verabreichung von Medikation sind von
keinem Kinder- und Jugendpsychiater in dieser Weise ärztlich verantwortet,
geschweige denn verordnet worden. Die drei Fachverbände der Kinder- und
Jugendpsychiatrie haben sich seit langer Zeit eindeutig zu den ethischen
Rahmenbedingungen von Zwangsanwendung in der Krankenbehandlung von Kindern und
Jugendlichen positioniert: Bei einer nicht ärztlich angeordneten
Zwangsmedikation ohne rechtliche Grundlage handelt es sich zweifelsfrei um eine
Form der Körperverletzung.

Dieser Präzedenzfall unterstreicht noch einmal die Empfehlungen des Runden
Tisches „sexueller Kindesmissbrauch“ in Bezug auf ein adäquates internes und
externes Beschwerdeverfahren für institutionell betreute Kinder und Jugendliche.
So genannte „geschlossene Heime“ bedürfen hier einer besonderen Aufmerksamkeit
und Kontrolle. [...]
Aus den bisherigen Monitoringangaben des Unabhängigen Beauftragten für Fragen
des sexuellen Missbrauchs, Herrn Rörig, geht nicht hervor, ob Einrichtungen, die in

der Jugendhilfe geschlossen geführt werden, entsprechende Risikoanalysen
vorgenommen und Schutzpläne und Beschwerdesysteme etabliert haben. Dies sollte bundesweit überprüft werden.
Gegen Machtmissbrauch hilft Transparenz. Selbstverständlich sollten die
anordnenden Gerichte, welche Beschlüsse nach § 1631 b BGB im pädagogischen
Kontext oft für längere Zeit (mehrere Monate bis ein Jahr) erlassen, sich
persönlich von der adäquaten Umsetzung ihrer Beschlüsse überzeugen. Schließlich
handelt es sich hierbei um weitgehende Eingriffe in Grundrechte, die nur zu
legitimieren sind, wenn tatsächlich das pädagogische Ziel erreicht werden kann. [...]


Der DGKJP-Vorstand im Dezember 2013
(Für den Vorstand: Prof. Jörg Fegert, Prof. Renate Schepker, Prof. Kerstin
Konrad, Prof. Hans-Henning Flechtner)

Samstag, 22. Juni 2013

Rittergut und Gutsherrenart: Faszination des Rittertums

Von der Idee eines „Kreuzritternationalismus“ war (und ist) Anders Behring Breivik gepackt, der Attentäter von Norwegen. Er war (und ist) in eine Szene ähnlich Empfindender eingebunden. Als Nachfolger der Kreuzritter stilisieren sich Betreiber „islamkritischer“ Hass-Blogs.
Der Spross einer Adelsfamilie mit ritterlichen Vorfahren, von Druffel-Egloffstein, ist ein lautstarker Sponsor in der rechtsextremen, den Anschluss an seriösen Konservatismus suchenden Szene (s. „Egloffstein“ auf diesem Blog).

Ländliche Wohn- und Wirkungsstätten rechtsextrem ausgerichteter Ideologen werden heute gern „Rittergut“ genannt, bzw. sind z.T. auch tatsächlich ehemalige Rittergüter. (Siehe unten, Beispiele).


Ich lese gerade ein Buch des Hirnforschers Ian Robertson zu dem Thema, wie das Gefühl von Macht und Überlegenheit das Gehirn beeinflusst („The Winner Effect“, Bloomsbury, London, 2012). Auf das Phänomen der Sehnsucht nach einem gesellschaftlichen Status als „Ritter“ bzw. der Selbsternennung zum „Ritter“ geht Robertson nicht spezifisch ein. Aber er zeigt auf, dass die bekannte Erfahrung, wie Macht (oder der Gedanke daran) einen Menschen verändern kann, sich an messbaren Verhaltensweisen und Hirnaktivitäten nachvollziehen lässt.

Der Gedanke, ein Ritter zu sein oder aus einem „Rittergeschlecht“ zu stammen, könnte dem Gehirn u.U. besondere Kicks verleihen und die Art und Weise, wie Situationen und Zusammenhänge beurteilt werden, entsprechend beeinflussen.

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Rittergut Schnellroda


"Subkutane Wirkung"

Auf dem Rittergut
Eine Begegnung mit Deutschlands Neuen Rechten
Clemens Riha für Kulturzeit, 3Sat
15.08.2011

Kritiker nennen ihn einen "Salonfaschisten", für viele Rechte ist er ein Vorbild: Götz Kubitschek ist derzeit der wohl erfolgreichste neurechte Verleger Deutschlands und der prominenteste Vertreter der Neuen Rechten, einer Bewegung die seit Anfang der 1990er Jahre stetig Zulauf hat und gut vernetzt ist. Auf Kubitscheks Rittergut laufen die Fäden zusammen. Von hier aus betreibt der 40-Jährige einen Verlag und beliefert seine gut gebildete Kundschaft mit rechter Literatur und einer Zeitschrift."Wir sind sehr, sehr konservativ, wir sind letztlich Rechtsintellektuelle", sagt Götz Kubitschek, Oberleutnant der Reserve, Verleger und Besitzer des hiesigen Ritterguts erklärt. "Ich halte das Rechtsintellektuelle für das Kommende. Es ist ganz klar, dass die Probleme, die auf unser Land zukommen, in denen wir stecken, die Antwort nicht von links, sondern von rechts bekommen." ...

Derzeit liest Kubitschek ein Buch von Günther Maschke. Der war einst Freund von Rudi Dutschke, mit der Schwester von Gudrun Ensslin verheiratet und wandelte sich vom Linken zum Rechtsnationalen. Die Agitationsformen der 68er studiert Kubitschek genau - und wendet sie an. ... Die Rechtsintellektuellen wollen dorthin, wo die Linken sind - mit spontane Demonstrationen, unangemeldet, schnell, wie beispielsweise am Jahrestag der Beendigung des Ersten Weltkriegs.

Götz Kubitschek ist nicht nur Politaktivist, er ist auch Vater von sieben Kindern. Mit ihnen und seiner Frau Ellen Kositza lebt er ein "deutsches" Leben. ...
Die stramm rechtskonservative Zeitung "Junge Freiheit" hat geladen. Peter Scholl-Latour ist gerne mit dabei. Salonfähig ist man mittlerweile. Ellen Kositza bekommt dort einen Journalistenpreis. "Eines zu Alice Schwarzer: Sie kennt mein Buch", sagt Kositza bei der Preisverleihung. ...

Ihr Mann betreibt einen Verlag und Buchversand. Rechtskonservative Theoretiker, Nachdrucke aus den 1930er Jahren - aus einer ehemaligen Scheune liefert Götz Kubitschek den Lesestoff zur sogenannten konservativen Revolution. Seine Monatsschrift vereinigt die wichtigsten Autoren der Szene. Die Geschäfte laufen bestens. "Sarrazin haben wir höllisch gut verkauft", sagt er, "und dazu auch ein Sonderheft gemacht: 'Sarrazin lesen'. Das ist ohne Frage ein absoluter Durchbruch gewesen im letzten August, September, das Buch von ihm, das auch viele Themen, die wir ansprechen, nach oben gezogen hat." Kubitschek schreibt auch selbst. Sein neues Buch mit eigener Homepage listet Verbrechen auf - ausschließlich die, bei denen Ausländer die Täter, Deutsche die Opfer waren.

Lichtmesz träumt von einer rechten Revolution. Martin Lichtmesz lebt in Kreuzberg und ist rechts. Martin Lichtmesz lebt in Kreuzberg und ist rechts. Der gebürtige Österreicher ist einer der Autoren von Kubitschek. Er schreibt von Überfremdung und Entzündungsherden eines Volkes. ... Lichtmesz träumt von einer rechten Revolution. Die Bewegung sei größer und breiter als mancher sich vorstelle. "Ich denke, dass das, was wir tun, auch eine subkutane Wirkung hat", so Lichtmesz, "dass das auch gelesen wird von Leuten, die bedeutender sind als wir, die größeren EInfluss haben als wir, also Politiker und Publizisten. Da gibt es einige bedeutende Namen, von denen ich weiß. Das wird auch weiter geleitet in die Kanäle." ...

Der 26-jährige Felix Menzel aus Chemnitz arbeitet eng mit Kubitschek zusammen. Er ist Herausgeber der "Blauen Narzisse", der wohl erfolgreichsten rechten Schüler- und Studentenzeitung im Internet. Auch hier geht es um das Zuviel an Ausländern. Aber nicht nur Worte gibt es. Zwischen den Artikeln wirbt ein T-Shirt-Versand. Die Motive sind Soldaten nach Neukölln, das Profil Benito Mussolinis und direkt daneben der neue Star der Rechten. "Ich glaube auch, dass das ganz schnell gehen kann und von uns ganz unabhängig. Das heißt, wenn es noch zwei, drei Leute wie Sarrazin geben sollte, dann wird dieser Durchbruch gelingen."

Götz Kubitschek verlegt rechte Theoretiker. Die "Kultur" zum neuen Deutschland gibt es in der der "Blauen Narzisse" auch bereits, beispielsweise Gedichtvideos neurechter Literaten. "Ich bin mittlerweile der Überzeugung, dass wir da in einem geistigen Bürgerkrieg leben, in dem es tatsächlich um die Existenz unserer Nation, unseres Volks geht", sagt Götz Kubitschek. ...

Felix Menzel will weiter an der "perfekten rechten Zeitung" arbeiten. Und Martin Lichtmesz träumt vom gesellschaftlichen Umbruch, der in Ostdeutschland seinen Anfang nehmen soll.

http://www.3sat.de/page/?source=/kulturzeit/themen/156133/index.html


„Die Hysterie sind keine Taten gefolgt“

Institut für Staatspolitik, Webseite staatspolitik.de, Wissenschaftliche Reihe … klingt anspruchsvoll. Dahinter steht ein weiterer Verlag zur Förderung der Salonfähigkeit des Rechtsextremismus (oder ist es der gleiche?):
Institut für Staatspolitik, Rittergut Schnellroda, 06268 Steigra
und Verlag Antaios, mit der gleichen Ritterguts-Adresse

Beispiel

Ein Jahr nach Sarrazin. Eine Debatte und ihre Folgen | Wissenschaftliche Reihe | Institut für Staatspolitik | Bücher anderer Verlage | Verlag Antaios

Die Hysterie um die Thesen Thilo Sarrazins zu den Möglichkeiten der Integration von
insbesondere muslimischen Ausländern, den negativen Anreizen des Sozialstaats, dem Zustand des Bildungssystems und den demographischen Aussichten Deutschlands, sind keine Taten gefolgt [sic]. Parteipolitisch hat sich keine Alternative ergeben und die überwältigende Zustimmung verpuffte ungenutzt. Dennoch hat die Sarrazin-Debatte den Raum der freien Rede erweitert, weil Sarrazins Gegner ihr Ziel, ihn in den sozialen Tod zu treiben, nicht erreicht haben. Die Hürden der
Meinungsfreiheit wurden drastisch vor Augen geführt. Entscheidend wird sein, daß das dadurch erreichte Niveau verteidigt wird. Die Studie widmet sich neben der Analyse der Folgen der Sarrazin-Debatte auch der Frage nach der parteipolitischen Nutzbarkeit von Sarrazins Triumph und wird durch eine umfangreiche Chronik der Ereignisse seit der Buchveröffentlichung sowie eine
kommentierte Bibliographie der Sekundärliteratur ergänzt.

... Dazu paßt:
Der Fall Sarrazin. Eine Analyse Zum Produkt Sarrazin lesen. Was steckt in "Deutschland schafft sich ab" ...

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Land unterliegt in Rechtsstreit um Rittergut Guthmannshausen | Thüringer Allgemeine
Jana Hildebrandt und Bärbel Albold / 27.04.13

     Das ehemalige Herrenhaus des Rittergutes Guthmannshausen war vom
     Freistaat für dessen Landwirtschaftsamt aufwendig saniert und gut
     ausgestattet worden. Im Jahre 2011 wurde das Denkmalobjekt verkauft.


      Guthmannshausen. Das Landgericht Erfurt hat am Freitag die Klage des
      Landes Thüringen gegen den Verkauf des Rittergutes Guthmannshausen (nahe
      Sömmerda) abgewiesen. Demnach kann der Kaufvertrag nicht wegen arglistiger
      Täuschung rückgängig gemacht werden.
      Laut Vorsitzendem Richter Heinz Schilling konnte die Zivilkammer keine
      aktive Täuschung beim Kauf des ehemals landeseigenen Anwesens feststellen. ...
      Die Käuferin, eine Heilpraktikerin aus Hessen, habe ein Nutzungskonzept
      abgeliefert, welches sie später auch realisiert habe. Dass sie das Konzept
      nur mit einem Verein realisiert habe, sei "Pech". Beim Verkauf der
      Immobilie habe die Thüringer Liegenschaftsgesellschaft, die den Verkauf
      vollzogen habe, nur geguckt, ob der Interessent ausreichend Geld hat und
      das Nutzungskonzept einhält. ...
      Die Liegenschaftsgesellschaft hatte der Heilpraktikerin die Immobilie, die
      zuvor als landwirtschaftliche Landschule genutzt wurde, für 320.000 Euro
      verkauft. Gegenüber den Behörden hatte sie angegeben, Seminare abhalten
      und das Anwesen an andere vermieten zu wollen.
      Bei dem Verkauf war weder die Mitgliedschaft zum Verein "Gedächtnisstätte"
      noch ihre Verbindung zu der vom Verfassungsschutz rechtsextremistisch
      eingestuften "Gesellschaft für freie Publizistik" aufgefallen.
      Seit dem Verkauf wird das Rittergut für Veranstaltungen der Neonazi-Szene
      genutzt. ...
 
http://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/leben/detail/-/specific/Land-unterliegt-in-Rechtsstreit-um-Rittergut-Guthmannshausen-1470347736



Rittergut Sahlis

Karl-Heinz Hoffmann (Rechtsextremist) – Wikipedia

Karl-Heinz Hoffmann ... [geb. 1937 in Nürnberg, Vater Arzt, 1940 gefallen] ist als deutscher Neonazi bekannt geworden. Er war Gründer der nach ihm benannten und 1980 verbotenen rechtsextremen Wehrsportgruppe Hoffmann. ...

„Es wäre doch ganz einfach töricht zu leugnen, dass Adolf Hitler genial war und dass er zweifellos sehr viele Dinge hier gemacht hat, wo wir heute langsam wieder drauf kommen, sie wieder tun.“  – Karl-Heinz Hoffmann, 1974 ...

1973 gründete Hoffmann die nach ihm benannte Wehrsportgruppe Hoffmann. Diese wurde 1980 als verfassungsfeindliche Organisation verboten.
Kontakte bestanden zwischen Hoffmann und dem DVU-Chef und Verleger der Deutschen National-Zeitung Gerhard Frey. Frey übernahm 1976 „aus nationaler Solidarität” Hoffmanns Gerichtskosten in Höhe von 8.000 DM. ...


2004 erwarb ... [Hoffmann] mehrere Immobilien im westsächsischen Kohren-Sahlis, darunter ein ehemaliges Rittergut mit Herrenhaus und Stallungen, in dem ehemals der Schriftsteller Börries von Münchhausen gewohnt hat. Für das Rittergut Sahlis schuf Hoffmann die gemeinnützige Fiduziarische Kulturstiftung Schloss Sahlis, um Fördergelder zur Erhaltung des Kulturdenkmals Schloss Sahlis zu bekommen. Für die Erhaltung und Pflege hat er in den Jahren 2005 bis 2007 rund 130.000 Euro vom Freistaat Sachsen bezogen. Karl-Heinz Hoffmann hält dort Schweine. ...
Im Jahr 2010 ... wurden Hoffmans Wohnung und sein Gutshof, im Rahmen von Ermittlungen gegen eine neonazistische Gruppe um André Kapke von Einsatzkräften, wegen Verdacht auf einen geplanten Sprengstoffanschlag, durchsucht. Die Durchsuchung verlief ergebnislos. Nach Aufdeckung der terroristischen Aktivitäten des Nationalsozialistischen Untergrundes, zu dem auch Kapke Verbindung hatte, kündigte die Staatsanwaltschaft Jena an, die Untersuchungen wieder aufzunehmen.

2011 kündigte Hoffmann auf seiner Webseite ein Referat im sogenannten „Nationalen Zentrum“ der NPD in Leipzig mit den Themen „Rechtsbedenkliche Methoden der bundesdeutschen Justiz“, „Das Problem der globalen Überbevölkerung und die Auswirkungen auf unseren Lebensraum“ und „Die wahre Geschichte der Wehrsportgruppe Hoffmann“ an. Wenige Tage nach Bekanntwerden der NSU-Morde und -Überfälle wurde die Veranstaltung abgesagt, da nach Aussagen Hoffmanns „die NPD meint, sie könne sich in Anbetracht des durch die Berichterstattung zur ‚Zwickauer Zelle‘ ausgelösten antifaschistischen Tsunamis keine Veranstaltung erlauben“. ...
http://de.wikipedia.org/wiki/Karl-Heinz_Hoffmann_(Rechtsextremist)



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„Prinz Eugen, der edle Ritter ...“

Prinzen Eugen von Savoyen,
im österreichisch-türkischen Krieg (1716-18);
Gemälde von Jacob van Schuppen.

Er sei auf Disziplin bedacht gewesen,
schreibt anerkennend die englischsprachige
Wikipedia, bereit, unfolgsame gewöhnliche
Soldaten eigenhändig zu erschießen – aber
„blinde Brutalität“ habe er abgelehnt.

Na, dann ist er ja ein Vorbild - oder?


Donnerstag, 6. Juni 2013

Aufregung ueber Werbespot mit "gemischtrassiger" Familie in den USA


"Cheerios"

Eine Fernseh-Werbespot mit Bildern eines idyllischen Familienlebens, das von dem beworbenen Produkt wunderbar bereichert wird.
Gewohnte Werbebilder; nur: Die gezeigte Familie ist nicht "weiß" oder "schwarz"; sie ist "gemischtrassig".

Das löste einen Sturm hasserfüllter Kommentare aus ("Shitstorm").

http://finance.yahoo.com/news/cheerios-stands-tv-ad-showing-151048704.html


In den USA, anno 2013.

Samstag, 1. Juni 2013

Drei Generationen Sarrazin: Zeitzeugen der Eugenik-Bewegung

Goldstandard: Die eigene Familie
Bildquelle:
http://en.wikipedia.org/wiki/Good_Delivery
In guter eugenischer Tradition nimmt Thilo Sarrazin die eigene Famile ("die westfälische Familie Sarrazin, der ich entstamme"; DSSA) als Goldstandard für das, was gesellschaftlich gut und erstrebenswert ist. So hielt es schon Francis Galton, Autor des von Sarrazin gelobten Werkes "Hereditary Genius" und Begründer der Eugenik-Ideologie. Auch wenn Sarrazin letzlich wenig Genaues über seine Herkunftsfamilie preisgegeben hat, halte ich es vor diesem Hintergrund dennoch nicht für indiskret, der Frage nachzugehen, welche Rolle familiäres "Erbe" - nicht mit den Genen, aber mit nostalgischen Erinnerungen und mit einem besonderen Stolz auf Herkunft und Familientradition weitergegeben - bei der Bildung seiner Thesen gespielt haben könnte.

Sarrazin nennt zwar den Gründungsvater der Eugenik, Francis Galton, ehrfürchtig als Referenz und scheut auch vor dem Gebrauch der Begriffe "eugenisch" und "dysgenisch" nicht zurück. Aber er lässt aus, dass "Eugenik" eine Generation vor seiner eigenen in Deutschland "Rassenhygiene" hieß - und dass sie auch damals schon aus den Lehren Galtons schöpfte, vermittelt von der Generation zuvor.

Im Folgenden fasse ich zusammen, was ich an Informationen und Anhaltspunkten über die Zeitzeugenschaft von Thilo Sarrazin,  Hans Christian Sarrazin und Gregor Sarrazin im Zusammenhang mit der Ideologie der Eugenik bisher gefunden, z.T. auch schon in anderen Posts notiert habe. Ich fange mit einem groben Gerüst an und ergänze nach und nach.

  • Denn dieses scheint die Hauptaufgabe der Biographie zu sein, den Menschen in seinen Zeitverhältnissen darzustellen und zu zeigen, inwiefern ihm das Ganze widerstrebt, inwiefern es ihn begünstigt, wie er sich eine Welt- und Menschenansicht daraus gebildet und wie er sie, wenn er Künstler, Dichter, Schriftsteller ist, wieder nach außen abgespiegelt. Hierzu wird aber ein kaum Erreichbares gefordert, daß nämlich das Individuum sich und sein Jahrhundert kenne, sich, inwiefern es unter allen Umständen dasselbe geblieben, das Jahrhundert, als welches sowohl den Willigen als Unwilligen mit sich fortreißt, bestimmt und bildet, dergestalt daß man wohl sagen kann, ein jeder, nur zehn Jahre früher oder später geboren, dürfte, was seine eigene Bildung und die Wirkung nach außen betrifft, ein ganz anderer geworden sein.
    -
    Goethe, Dichtung und Wahrheit


Thilo Sarrazin (* 12. Februar 1945)

Thilo Sarrazin ist ein Zeitzeuge und Mitwirkender des Wiederbelebens der Eugenik, die in Deutschland "Rassenhygiene" hieß und nach Kriegsende 1945 zu Recht als diskreditiert galt.

Er führt eine Vielfalt von Problemen, wie Arbeitslosigkeit und Abhängigkeit von Sozialleistungen, mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, Missstände an den Schulen und eine als zunehmend wahrgenommene Kriminalität auf drei Grundprobleme zurück:
  1. Schrumpfende Bevölkerungszahl und damit einhergende Vergreisung der "autochthonen Deutschen" (des Teils der Bevölkerung, den er als deutsch anerkennt),
  2. Überproportionale Fortpflanzung der Unterschicht und damit der Untüchtigen, und unterproportionale Fortpflanzung der Tüchtigen, Intelligenten,
  3. Zuwanderung aus den falschen Ländern; d.h. Ländern mit hohem muslimischem Bevölkerungsanteil; geographisch aus dem "nahen und mittleren Osten sowie aus Afrika" (dass dies nicht deckungsgleich ist, lässt er außer Acht - bis auf die Ausnahme, die er für Juden macht).
Diese Einteilung entspricht klar nachvollziehbar der Einteilung des NS Aktionsprogramms für "Volksgesundheit", das von NS Ärzteführer Wagner auf dem Nürnberger Reichsparteitag 1934 präsentiert wurde.
Sie entspricht aber auch der Einteilung, die eine Generation zuvor der britische Labour-Politiker Sidney Webb (1859 -1947), ein Anhänger der von Francis Galton begründeten Eugenik-Ideologie, vorgenommen hatte.  
http://guttmensch.blogspot.com/2013/05/english-please-2.html ;
http://guttmensch.blogspot.com/2013/03/sarrazins-thesen-zusammenfassung.html

Sarrazin lobt den schwedischen Sozialdemokraten Gunnar Myrdal (1898-1987), der "schon in den 1930er Jahren" die richtigen Erkenntnisse gehabt habe. (Myrdal setzte sich, dem Zeitgeist entsprechend, in Schweden "erfolgreich" für ein heute diskreditiertes und als Schandfleck der Sozialdemokratie angesehenes Programm von Zwangsterilisationen ein, was Sarrazin allerdings nicht ausdrücklich erwähnt.)

Mehrere der wissenschaftlichen Gewährsleute, auf die sich Thilo Sarrazin in DSSA bezieht, stehen dem 1937 in den USA gegründeten, seinerzeit Nazi-freundlichen “Pioneer Fund” nahe, der sich nach wie vor der Förderung der Eugenik-Ideologie widmet. Eine vom Pioneer Fund finanzierte Vierteljahresschrift, Mankind Quarterly, hat (Jahrzehnte nach Otmar von Verschuer) wieder einen deutschen Mitherausgeber: Volkmar Weiss, Thilo Sarrazins maßgeblichen Vordenker.http://guttmensch.blogspot.com/2011/06/forderung-und-finanzierung-der-eugenik.html



"Mein Vater war ein Goethe-Kenner
und daher bin ich mit einer großen Ausstattung
von Goethe-Zitaten ins Leben gegangen. …
Zum Beispiel … : Man könnte erzogene Kinder
gebären, wenn die Eltern erzogener wären.
Oder: Dreimal glücklich sind diejenigen zu
preisen, die ihre Geburt sogleich über die
unteren Stufen der Menschheit hinaushebt."

– Thilo Sarrazin ( http://guttmensch.blogspot.com/
2012/03/mehr-zum-thema-nostalgie.html
).
Goethes Gesammelte Werke studiert?
Oder eine ganz spezielle kleine Auswahl –
wie die aus dem Verlag J. F. Lehmanns,
der den Rassenstaat herbeischreiben half?
http://www.goethezeitportal.de/wissen/illustrationen/
karl-bauer-dichterquartett.html



Hans-Christian Sarrazin (* 1914)

Der Arzt-Schriftsteller Hans Christian Sarrazin (Vorname sowohl mit als auch ohne Bindestrich zu finden) ist der Vater von Thilo Sarrazin. Als Arzt und langjähriger "Gutachter für die Sozialgerichte" ist er ein Zeitzeuge der radikalen Umsetzung der Eugenik-Ideologie (unter der Bezeichnung Rassenhygiene) in der Zeit des NS und der Nachkriegs-Karrieren von Ideologen der Rassenideologie.


Aus dem Klappentext des Gedichtbands “Ahorndekade” von Hans Christian Sarrazin (Vater von Thilo Sarrazin), Laumann-Verlag Dülmen, 1993:(Hervorhebungen von mir)

Hans Christian Sarrazin … begann 1934 mit dem Studium der Gemanistik, die er nach einigen Semestern mit der Medizin vertauschte. … Truppenarzt in Frankreich und Italien … Leiter der sozialmedizinischen Abteilung eines Knappschaftskrankenhauses und, bis heute, ärztlicher Gutachter für die Sozialgerichte. … Den ersten Druck eines Gedichtes besorgte 1937 Paul Fechter in der Deutschen Allgemeinen Zeitung. …”

 
Bemerkenwert ist u.a. seine Verbindung mit dem Publizisten Paul Fechter in der NS Zeit und in den Nachkriegsjahren.
Zu Fechters Kreisen gehörten u.a. die Schriftsteller Arthur Moeller van den Bruck (Schöpfer des Begriffs “Drittes Reich”), Hans Grimm (“Volk ohne Raum”), Agnes Miegel und der aus Hofgeismar stammende Journalist Joachim Günther. Letzterer schrieb auch unter dem Pseudonym Joachim Siering; ob ein Verwandtschaftsverhältnis mit dem Rassenideologen Hans F. K. Günther besteht, ist unbekannt. Erwähnenswert ist Joachim Günther auch unter dem Aspekt, dass Bezüge zum historischen Hofgeismarkreis (gegründet 1923) nahe liegen. Dort fanden sich junge Sozialdemokraten vom rechten Rand der SPD, die von der Ideologie der Eugenik angetan waren und später z.T. eine “Querfront” mit der aufkommenden NSDAP bildeten. Vor einigen Jahren gründete eine Splittergruppe rechtsorientierter Jusos in Leipzig einen neuen “Hofgeismarkreis”, der an den historischen ausdrücklich anschließen soll, und von dem sich die SPD nur milde distanzierte. http://guttmensch.blogspot.com/2013/03/du-bist-nichts-dein-volk-ist-alles-der.html

Hans Christian Sarrazin hat in der Zeit des NS hin und wieder etwas von ihm Geschriebenes in einer der gleichgeschalteten Zeitungen unterbringen können – soweit bekannt, nur unpolitische, harmlose Gedichte.
Konnte er sich als junger Arzt und Möchtegern-Schriftsteller der großen Nachfrage nach “Fachsoldaten des Dritten Reichs”, von denen sein Mentor Paul Fechter schwärmte, entziehen; wollte er es überhaupt? Kannte er andere schreibende Ärzte seiner Zeit, hat er sich mit ihnen ausgetauscht, war er von ihnen beeinflusst? Hat er mit oder ohne Namensnennung an weiteren Publikationen selbst mitgewirkt?
Erwähnenswert aus der Zunft der für ein breiteres Publikum schreibenden Ärzte erscheint mir z.B. Heinz Weiss, Mitverfasser des 1933 erschienenen “Almanach der nationalsozialistischen Revolution, herausgegeben von Oberpräsident Wilhelm Kube, unter Mitarbeit von Willi Bischoff und Dr. Heinz Weiss”. Ich nehme an, dass er identisch ist mit Heinz Weiss, Vater von Thilo Sarrazins Ideengeber Volkmar Weiss. Über ihn schrieb Volkmar Weiss: “Mein Vater war der hauptamtliche Bannführer der Hitlerjugend von Zwickau.” Dazu sollte man auch noch wissen, dass Zwickau schon vor der “Machtergreifung” der Nationalsozialisten eine Spielwiese eugenischer Ideen war (Stichwort “Lex Zwickau”). An der Entstehung des Gesetzentwurfs “Lex Zwickau” (zur Einführung von Zwangssterilisationen angeblich geistig Minderwertiger) waren US-Eugeniker wesentlich beteiligt – allen voran Harry Laughlin, später dem 1937 von Wicliffe Draper gegründeten Pioneer Fund verbunden. 

Es ist deshalb nicht weit hergeholt, sich zu fragen, ob die Verbindung von Volkmar Weiss zum Pioneer Fund schon in der 2. Generation besteht.

Weiter ist gut möglich, dass die gegenseitige Wertschätzung der schrift-stellerischen Arbeit von Volkmar Weiss und Thilo Sarrazin schon bei ihren Vätern Heinz Weiss und Hans Christian Sarrazin bestand, ob sie sich nun auch persönlich kannten oder nicht.
  • Als Arzt an einem Knappschaftskrankenhaus (wahrscheinlich Recklinghausen, in der NS-Zeit ein medizinisches Zentrum fuer die Unfruchtbarmachung mit Röntgenstrahlen *) und durch seine Gutachter-Taetigkeit ist Hans Christian Sarrazin sicherlich mit der Fragestellung “Zwangssterilisationen – Wohltat oder NS Unrecht?” konfrontiert gewesen. Ob und wie er sich dazu im Familienkreis äußerte, wissen wir nicht.
* Siehe auch Stichwort "Gustav Schulteauf diesem Blog; z.B. in Post und Kommentaren auf http://guttmensch.blogspot.com/2013/02/zwangssterilisationen-wohltat-oder-ns.html

  • Wer 1993 im Alter von fast 80 Jahren auf jahrzehntelange Tätigkeit als “Leiter der Sozialmedizinischen Abteilung eines Knappschaftskrankenhauses” und “ärztlicher Gutachter für die Sozialgerichte” zurückblicken konnte, wird während seiner Laufbahn sicher auch zu Fragen der Entschädigung für Zwangssterilisierte konsultiert worden sein. Wenn diese Tätigkeiten bis in die Zeit vor 1945 zurückreichen sollten, dürften solche Funktionen es auch mit sich gebracht haben, an Entscheidungen über die Unfruchtbarmachung z.B. für schwachsinnig gehaltener Menschen selbst mitzuwirken. Personelle Kontinuitäten beim Kreis der herangezogenen Gutachter waren nicht selten; siehe z.B. Stichwort “Villinger” auf diesem Blog. - Gerade Knappschaftskrankenhäuser waren ein wichtiger Teil der “Fürsorgestrukturen”, die in der Nazi-Zeit in den Dienst der “Rassenhygiene” gestellt worden waren. Beispiel Recklinghausen: ...
http://guttmensch.blogspot.com/2012/03/mehr-zum-thema-nostalgie.html


Besuchte Hans Christian Sarrazin die "Führerschule der deutschen
Ärzteschaft” in Alt-Rehse, Mecklenburg? Ich halte dies für wahrscheinlich; siehe http://guttmensch.blogspot.com/2013/02/stoff-aus-den-fuehrerschulen.html

Das Thema Zwangssterilisationen spielt auch bei Thilo Sarrazin eine Rolle, wenn auch nur angedeutet durch den anerkennenden Hinweis auf Gunnar Myrdals Engagement für "Bevölkerungsqualität" (s.o.). 




Gregor Sarrazin

(13. Mai 1857  - 3. November 1915)

Thilo Sarrazin erwähnte gelegentlich seine “englische Großmutter”; ihren Namen nannte er meines Wissens nicht. Eine Reihe von Anhaltspunkten deutet darauf hin, dass der Shakespeare-Forscher Gregor Sarrazin und seine Frau Frances, geb. Stearne, trotz des in dem Fall hohen Vateralters die Eltern des früh verwaisten Vaters von Thilo Sarrazin, des Arzt-Dichters Hans-Christian Sarrazin, sein könnten. Gregor Sarrazin wäre dann also Thilo Sarrazins Großvater väterlicherseits.
In einigen Quellen ist "Gregor" noch mit dem zweiten Vornamen "Ignatz" ergänzt, also "Gregor Ignatz Sarrazin".

Einer Fußnote zu seinem Nachruf in der Fachzeitschrift Anglia (1916) ist zu entnehmen, Gregor Sarrazin solle "dazu geneigt haben, unsympathische züge des modernen englischen volkscharakters aus übergreifen des keltischen elements zu erklären".
http://www.archive.org/stream/angliazeitschrif27halluoft/angliazeitschrif27halluoft_djvu.txt ;
http://guttmensch.blogspot.com/2012/03/mehr-zum-thema-nostalgie.html

Über seinen Anglisten-Kollegen und Bundesbruder in der Burschenschaft Rheinfranken, Karl Friedrich Schemann, hatte Gregor Sarrazin wahrscheinlich Verbindung zu dem Rassenideologen und Gobineau-Übersetzer Karl Ludwig Schemann (1852-1938), der zum Bayreuther Kreis um Richard Wagner und dessen Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain gehörte.
Siehe Kommentar „Merkzettel Soziale Netzwerke“ zu dem Post „Bayreuther Kreis und Wiener Guido-von-List-Gesellschaft: Eugenik, Esoterik und Herrenmenschen-Ideologie“



Zweifellos hatte der deutsche Shakespeare-Forscher Gregor Sarrazin, der an der Universität Breslau englische Philologie unterrichtete, Mitherausgeber der Zeitschrift Anglia war und die Tochter eines Londoner Kaufmanns geheiratet hatte, Kontakt zu intellektuellen Kreisen im Vereinigten Königreich.
Die Annahme liegt nahe, dass er von der in seiner Zeit popularisierten Eugenik beeinflusst war und mit einigen ihrer Propagandisten auf beiden Seiten des Ärmelkanals in Verbindung stand.


Francis Galton (1822-1911) und sein “Apostel” Karl Pearson (1857-1936) suchten und unterhielten  den Kontakt zu Personen und Netzwerken, die bei der Verbreitung der Eugenik-Ideologie über die Grenzen des Vereinigten Königreichs hinaus, ganz besonders in den USA und in Deutschland, behilflich sein konnten. Zu ihren wichtigsten Kontakten in Deutschland gehörten Alfred Ploetz (1860-1940) und Eugen Fischer (1874-1947).
Eine enge Zusammenarbeit bestand zwischen Francis Galton und dem deutsch-britischen Zoologen und Eugeniker Albert C.L.G. Günther (1830-1914).http://guttmensch.blogspot.com/2011/12/fuhrungsbegabte-familien-besondere-gene.html
Ob dieser mit Hans F. K. Günther und/ oder mit Joachim Günther (s.o.) verwandt ist, konnte ich bisher nicht in Erfahrung bringen. Dass zumindest Hans F. K. Günther aber von ihm wusste und sich dafür interessierte, ob eine Verwandtschaft besteht, ist mehr als wahrscheinlich.

Galton, der mit seinem Werk über die Erblichkeit der Geniehaftigkeit, Hereditary Genius, den Grundstein zu seiner Eugenik-Ideologie gelegt hatte, war Shakespeare-Fan. Er wird wohl gewusst haben, dass der deutsche Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe Shakespeare als ein Vorbild betrachtet und als “Genie” gerühmt hatte. An den Werken eines deutschen Shakespeare-Forschers dürfte er durchaus interessiert gewesen sein – und dieser vor allem an seinen. Eines seiner (Galtons) bekanntesten, heute noch gebräuchlichen Schlagworte lautet Nature versus Nurture, wörtlich “Natur gegen Nähren” (als sei nicht auch das Nähren Teil der Natur); im Deutschen meist übersetzt mit „Natur oder Kultur“.
Es wird angenommen, dass Galton durch Shakespeares Drama The Tempest („Der Sturm“) zu diesem Schlagwort inspiriert wurde. In diesem Stück lamentiert Prospero, Herzog von Mailand, über seinen rebellischen Diener Caliban:
A devil …, a born devil, on whose nature / Nurture can never stick.” (In der
Übersetzung von Christoph Martin Wieland: “Ein Teufel ist dieser Caliban, ein gebohrner Teufel, an dessen Natur keine Erziehung haftet; an dem alle meine Mühe, Mühe wie man an einen Menschen wendet, verlohren, gänzlich verlohren ist.”)Hinweis auf die Herkunft des Schlagworts Nature versus Nurture in: Measure for measure -The strange science of Francis Galton, Jim Holt (The New Yorker, January 24/31, 2005)http://www-fourier.ujf-grenoble.fr/~dpiau/mat414-07/07galton.pdf


Deutsche Übersetzung der zitierten Stelle in Shakespeare’s “Der Sturm” gefunden auf
http://gutenberg.spiegel.de/buch/2163/17






Geburtshaus des Feldherrn Erich Ludendorff
auf dem Gelände des Gutes Kruszewnia (bei Posen), heute in Polen.
Das Gut gehörte zeitweise der von Westfalen aus in Westpreußen
angesiedelten Familie Sarrazin. Von einem "Rittergut" bei Posen stammt
Gregor Sarrazin. 

http://studiengruppe.blogspot.com/search?q=sarrazin ;http://books.google.com/books/about/Stammbaum_der_westfaelischen_Familie_Sar.html?id=7k3UPgAACAAJ&redir_esc=y



 
Siehe auch Otto Sarrazin, Urgroßonkel von Thilo Sarrazin, auf