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Dienstag, 7. Juni 2011

Der Genie- und Führerkult aus dem Geist der Eugenik

Zum Einstieg in das Thema „Genie- und Führerkult aus dem Geist der Eugenik“
ein Zitat von Volkmar Weiss, einem wesentlichen Ideengeber für Thilo Sarrazin:


http://knol.google.com/k/volkmar-weiss/der-führer-gegen-den-zeitgeist/19iebpu8jegcn/24#
"Der Führer gegen den Zeitgeist. Der Ausbruch aus dem Kreislauf der politischen Verfassungen. Ein Ausschnitt aus ‚Das Reich Artam‘. - In der Weltwirtschaftskrise 1929 bestand die Genialität des Ersten und Größten Führers Aller Zeiten darin, daß er den Lauf der Zeiten voraussah und letztendlich das Kommen des Großen Chaos ahnte. Er suchte nach einem Ausweg und ahnte, daß sich in der Geschichte eines Volkes das Zeitfenster für einen Ausstieg aus dem Kreislauf vielleicht nur ein einziges Mal öffnet, dann nämlich, wenn das Volk noch ein relativ junges ist. Der Führer hatte begriffen: Wenn die tatsächliche Not immer größer wird, dann ist die Stunde für neue intelligente Leit- und Führungspersonen gekommen ...“



Wird nach und nach ergänzt

Einige Stichworte: 


(Abbildung: Dichtefunktion der Standardnormalverteilung; Mathepedia, http://www.mathepedia.de/html/u_stochastik/a_wt/c_wverteilung/Normalverteilung_deutsch.aspx?w=200&h=152)
  • Die Annahme einer genormt glockenförmigen, erblich bestimmten Verteilung von Intelligenz/ Begabung/ Talent/ Leistungsfähigkeit/ schöpferischer Kraft (bzw. moderner ausgedrückt, Innovationsfähigkeit) 
  • Linke und rechte Ausläufer der angenommenen Normalverteilung/ Glockenkurve; "Genies" und "Führungspersönlichkeiten" am äußeren rechten Ende
  • "Hereditary Genius" bei Galton (Quellen zu Galton, Quitelet, Glockenkurve)
  • Von Biologie und Mathematik zu Mystik und Aberglaube: Ideen vom guten genetischen "Grundstock", der von Zeit zu Zeit eine besonders herausragende Genkombination, einen Ausnahmemenschen hervorbringen würde
  • "Siehe auch Stichwort "Führerschulen" auf diesem Blog
Zitat aus dem Meyer-Zimmermann, Schulbuch der Nazi-Zeit
(siehe auf diesem Blog http://guttmensch.blogspot.com/2011/03/butter-bei-die-fische-sozialdarwinismus.html):
"Nur ein kinderreiches Volk kann aus der Fülle seiner Lebenskraft eine Vielzahl genialer Menschen hervorbringen." (S. 375) 

„Sozialismus (gemeint ist hier Nationalsozialismus) sei nichts anderes als natürliche Ordnung eines Volkes nach seinen angeborenen Fähigkeiten. Gelinge es uns, eine solche politische Führerschicht heranzubilden, die aus Blut und Herkunft, aus Fähigkeiten und Veranlagung den Anspruch hat zu führen, dann werde die deutsche Revolution für Jahrhunderte das Gesicht der deutschen Zukunft prägen (S. 307)

  • Fallstricke der Annahme von der "normalverteilten" Tüchtigkeit
    • Vom gemessenen Einzelmerkmal zu weitreichenden Spekulationen über Tüchtigkeit/ Tauglichkeit und deren Ursachen
    • Es werden Naturgesetzlichkeiten auch dort angenommen, wo keine sind - wer misst, bestimmt auch, wie geeicht (oder geschätzt) wird
    • Kleinste und zufällige (und leicht zu manipulierende) Unterschiede bei der vergleichenden Messung oder Abschätzung können große Folgen für die Einordnung von Menschen und auf sie bezogene Erwartungen haben
    • Vorgefasste Erwartungen prägen maßgeblich, wie Menschen unterstützt oder nicht unterstützt werden

Joseph Goebbels, Der Wanderer (Manuskript 1923)
 "„Humanitätsduselei“ ist ein beliebtes Schlagwort der  NS-Terminologie ...".
Der Text nimmt auch Bezug auf die Figur des Raskolnikov bei Dostojewki ("Schuld und Sühne", ein Text, der Goebbels offenbar fasziniert hat) und den dort vorkommenden Begriff von "den großen Genies", den "Vollendern der Menschheit", die unter tausenden von Millionen Menschen nur einmal zu finden seien.
digbib.ubka.uni-karlsruhe.de/volltexte/documents/1293



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Ute Wiedemann
in ihrer Dissertation, Muenchen 2005

 
"In der Romantik bezog sich der Geniebegriff im wesentlichen auf einzelne Persönlichkeiten, während gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine Verschiebung hin zu einer soziologischen Betrachtungsweise stattfand (z.B. Zilsel und Lange-Eichbaum).
Zeitgleich mit dieser soziologischen Betrachtungsweise begann sich eine genetisch-biologische Sichtweise zu etablieren (z.B. Galton, Lombroso, Kretschmer, Rüdin). "

"Von zentraler Bedeutung für die Definition und die Geschichte des Geniebegriffs ist das Werk von Edgar Zilsel (1891-1944), „Die Entstehung des Geniebegriffs“ aus dem Jahre 1926, welches ursprünglich seine Habilitationsschrift darstellen sollte. […] Seine Habilitationsschrift „Die Entstehung des Geniebegriffs“ (1926) wurde 1923/24 abgelehnt. Zilsel beteiligte sich auch an der Schulreformbewegung und nahm ab 1925 eine Tätigkeit am Pädagogischem Institut in Wien an. Da er Sozialdemokrat war, wurde er 1934 wieder in den Schuldienst zurückversetzt. Nach dem „Anschluss“ Österreichs wurde er 1938 zwangspensioniert und emigrierte nach England.
Zilsels Intention war es, „...die Entstehungs- und Entwicklungsbedingungen des Geniebegriffs kausal zu untersuchen...“. Der Autor betrachtet das Genieideal als „gesellschaftliches Gebilde“. […]
Folgende Erscheinungen werden von Zilsel in ihrem geschichtlichen Werdegang sowie in ihrer gesellschaftlichen Bedingtheit studiert und in soziale Gesetzmäßigkeiten einzugliedern versucht: […] die Vorstellung von der Seltenheit der überragenden Menschen; der „Dutzendmensch“ als Gegenstück zum Genie; die irrationalen und metaphysischen Bestandteile des Personenkults; die Beziehungen zur Religion sowie die Nachwelts-, Mitwelts- und Brüderschaftsvorstellungen."



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 Adolf Hitler: Wie sein "Charisma" konstruiert wurde
 
Aus
Süddeutsche.de
20. Mai 2010
NS-Diktator Adolf Hitler - Die Legende vom Charisma
http://www.sueddeutsche.de/politik/ns-diktator-adolf-hitler-die-legende-vom-charisma-1.943366

Erst politisch nicht festgelegt, dann rechter Trommler, schließlich "deutscher Messias": Ludolf Herbst erzählt, wie Adolf Hitlers Nimbus aufgebaut wurde.

Von H. Mommsen 
Die Deutschen meinen, Hitler zu kennen. Dass es den zahlreichen Monographien zum Trotz möglich ist, das festgefügte Hitlerbild zu modifizieren, zeigt Ludolf Herbst. Er weist nach, dass Hitlers Rolle als "deutscher Messias" auf einer Erfindung seiner frühen Gesinnungsgenossen beruht und mithin dessen Charisma auf eine Legende zurückgeht.
Herbst sucht - wie viele Interpreten vor ihm - den Widerspruch zwischen Hitlers intellektueller Mediokrität und seiner Unfähigkeit, soziale Kontakte zu knüpfen einerseits und seiner herausragenden propagandistischen Begabung, seiner Rolle als Parteiführer und als Reichskanzler andererseits, zu erklären.
Um plausibel zu machen, warum so viele Deutsche Hitler verehrten, wird dessen charismatische Begabung angeführt. Insbesondere Hans-Ulrich Wehler hat seiner Deutung das Charisma-Konzept Max Webers zugrunde gelegt.
Ähnlich wie Ian Kershaw entwirft Wehler eine bipolare Sicht der NS-Diktatur, wonach die Ausnützung der in Deutschland nach 1918 herrschenden "charismatischen Situation" durch Adolf Hitler mit einer mehr oder minder bedingungslosen Gefolgschaft der großen Mehrheit des deutschen Volkes korrespondiert. Dabei wird Hitler große politische Begabung und Zielstrebigkeit zugeschrieben. […]
Hitlers Dienst beim Gruppenkommando 4 der Bayerischen Reichswehr, den er am 31. März 1920 beendete, besaß, so Herbst, "entscheidende Bedeutung für die Formierung des Politikers Hitler". Damals erhielt er wichtige ideologische Anregungen, die durch den Einfluss der Thule-Gesellschaft vertieft wurden. Er propagierte nun zum einen die "Kriegsschuldlüge" und zum anderen einen eliminatorischen Antisemitismus.
Hitlers psychologische Festigung als Person vollzog sich ausschließlich durch das Medium seiner rhetorischen Auftritte. Sie bahnten ihm den Weg zum politischen Erfolg. Doch erst nach dem Putschversuch vom 9. November 1923, nachdem das militärische Umsturzprojekt mit Erich Ludendorff als Galionsfigur gescheitert war, trat Hitler mit charismatischem Führungsanspruch auf.
Sein Engagement in der DAP und seine neue Rolle als deren Agitator erfolgte auf Betreiben der Reichswehr. […]
Ausführlich schildert Herbst die ausgefeilten Propagandatechniken, Inszenierung und Ritualisierung des "Führerkultes".
Von entscheidender Bedeutung war die sich im Umkreis Hitlers bildende engere Gefolgschaft, die in ihm "den zukünftigen Führer und Retter Deutschlands" erblickte und analog zu der von Max Weber beschriebenen "Glaubensgemeinschaft" als "Tat- und Handlungsgemeinschaft" fungierte. […]
Nach Mussolinis Marsch auf Rom im Oktober 1922 betrieb Hitlers Entourage die Übertragung des Führerprinzips auf Hitler. […]
"Die Inszenierung des Nationalsozialismus als politische Religion", schreibt Herbst, lief darauf hinaus, "den Führer der NSDAP als Messias, die Partei als Glaubensgemeinschaft" herauszustellen. Aus Hitlers Sicht war die Partei jedoch nur "ein Mittel zum Zweck". Er glaubte an einen "direkten Kontakt zwischen Führer und Volk" ohne Zwischenschaltung der Partei […]
In der Wirtschaftskrise, die 1929 ausbrach, rückten Inszenierung und Ritual in den Vordergrund der Parteiarbeit, sie zielten in erster Linie auf die Integration von Mitgliedern und Anhängern. Die - so Herbst - "ins Gigantische gesteigerte Inszenierung der Volksgemeinschaft mit Hilfe der Parteigänger und Anhänger" in den Wahlkämpfen zwischen 1928 und 1932 war freilich von einer Abschwächung des Hitlerschen Charismas begleitet. […]
Weit entfernt davon, dem Diktator konstruktive Führungsqualitäten zuzuschreiben, deckt Herbst die vielfach trivialen Grundlagen seiner charismatischen Herrschaft auf und plädiert für eine Entmythologisierung Hitlers.


LUDOLF HERBST: Hitlers Charisma. Die Erfindung eines deutschen Messias. S. Fischer Verlag, Frankfurt, 2010. 336 Seiten, 22.95 Euro.
Der Historiker Hans Mommsen ist Professor Emeritus der Universität Bochum



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Das "größte Gehirn aller Zeiten"


Aus
DER SPIEGEL 07/ 1967


Nur in der Fixierung auf dieses "größte Gehirn aller Zeiten", wie Himmler seinen Abgott nannte, sahen die SS-Führer Sinn und Aufgabe ihres Ordens. Das Leben Adolf Hitlers zu schützen, seine Befehle rücksichtslos auszuführen und dereinst Vollstrecker seines Vermächtnisses zu sein -- dies dünkte sie die heilige Mission der SS.

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46473176.html

3 Kommentare:

  1. “Du – ein Dutzendmensch werden? Zum grossen Haufen gehören? Du bist zum Führer geboren!“
    Josemaría Escrivá in "Der Weg"

    Wikipedia: Opus Dei

    Opus Dei (lateinisch; deutsch: Werk Gottes) oder mit dem vollen Namen Praelatura Sanctae Crucis et Opus Dei (lateinisch; deutsch: Prälatur vom heiligen Kreuz und Werk Gottes) [...] wurde 1928 durch den Priester Josemaría Escrivá (1902-1975) in Madrid gegründet [...] Escrivá wurde 1992 durch Papst Johannes Paul II. selig- und bereits zehn Jahre später heilig gesprochen. [...]
    Der Fokus des Opus Dei auf die „Heiligung des Alltagslebens von Laien“ wird von der Kurie (Leitungs- und Verwaltungsorgane des Heiligen Stuhls) unterstützt. [...]
    Opus Dei ist in über 60 Ländern tätig (nach anderen Angaben hat es Mitglieder in 90 Ländern), mit einem Schwerpunkt im spanischen Sprachraum und in Italien, wo sich der Hauptsitz befindet. [...]
    Alle Mitglieder müssen täglich einen sogenannten “Lebensplan” erfüllen, der üblicherweise mit dem Ausdruck “Normen” bezeichnet wird. Es handelt sich dabei um bestimmte festgelegte Gebete und Übungen, die den Alltag strukturieren sollen. [...]

    Im Jahr 1934 erschien Der Weg, eine Aphorismensammlung von Josemaria Escrivá,
    welche die Spiritualität des Opus Dei zusammenfasst. [...]
    Escrivá [floh] 1937 in den von General Franco besetzten Teil Spaniens. Seit den 1950er Jahren wurde das Opus Dei eine wichtige Stütze des politischen Systems des Franquismus [...]
    Der Gründer selbst enthielt sich direkter politischer Einflussnahme, galt jedoch
    als ein Bewunderer Francos und zeige, so die Kritik, im Werk Der Weg eine Nähe zum Faschismus. [...]
    Schon 1950 ermöglichte das Opus Dei als erste Einrichtung der katholischen Kirche auch Nichtkatholiken die Mitarbeit, und 1952 wurde die erste Niederlassung in Deutschland eröffnet. [...]
    Seit dem Ende des Spanischen Bürgerkriegs bemühte sich das Opus Dei um die Rekrutierung junger Intellektueller, zunächst hauptsächlich an den Universitäten Madrids und Barcelonas. [...]
    Nach dem Statut des Opus Dei sind die Mitglieder gehalten, als Bestandteile einer Elite nach führenden Positionen zu streben:
    “Besondere Mittel des Apostolats der Institution sind die öffentlichen Ämter, insbesondere solche, die eine Führungstätigkeit verlangen“.
    “Um dies zu erreichen, ist es notwendig, dass sich die Unsrigen in ihren Berufen als Autorität hervortun und sich unermüdlich um den Erwerb einer wissenschaftlichen Ausbildung bemühen“.

    Einer der 999 Sprüche aus El Camino, der programmatischen Schrift Escrivá de
    Balaguers, lautet:
    “Du – ein Dutzendmensch werden? Zum grossen Haufen gehören? Du bist zum Führer geboren!“

    Ziel des Opus Dei war eine „konservative Modernisierung“ Spaniens: Notwendige Reformen sollten sich auf den wirtschaftlichen Sektor beschränken, um die politischen Verhältnisse des Franquismus beibehalten zu können. Kritiker bezeichneten es aufgrund seines Einflusses und seiner Diskretion als „heilige Mafia“. [...]

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  2. Die Idee der Volksgemeinschaft sollte Politik, Moral und Recht zu einem unauflösbaren Ganzen zusammenschweißen. Der dynamische, keiner höheren Rechtsinstanz verpflichtete „Führerwille“ sollte – von den Parteigliederungen im vorauseilenden Gehorsam erahnt – eine neue nationalsozialistische Herrschafts- und Regierungsform schaffen. Formal nicht normierte emotionale Leitgedanken wie das „Gesundes Volksempfinden“, der Aufstieg der „Tüchtigen“ durch „Kampf und Auslese“ usw. sollten zu neuen Quellen des Verfassungsrechts werden. An die Stelle der Verpflichtung der Staatsbeamten auf allgemeine Rechtsprinzipien sollte die persönliche Verpflichtung treten, die dann durch „Führereid“ bekräftigt werden musste.

    Hitler hatte als Parteichef der NSDAP mit seinem Legalitätseid vom 25. September 1930 (Ulmer Reichswehrprozess) die Ausnutzung der legalen Möglichkeiten und spätere Umgestaltung des Staates nach der eigenen Weltanschauung angekündigt. ...

    Die Gleichschaltungsmaßnahmen nutzten die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat („Reichstagsbrandverordnung“, 28. Februar 1933), das Ermächtigungsgesetz Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich (23. März 1933) und das Heimtückegesetz (20. Dezember 1934) aus. ...

    Mit der Verfolgung der Kommunistische Partei Deutschlands KPD ab dem 28. Februar infolge des Reichstagsbrands, dem Verbot der SPD am 22. Juni und der Selbstauflösung der übrigen Parteien bis zum Gesetz gegen die Neubildung von Parteien vom 14. Juli 1933 wurde die NSDAP zur einzigen und alleinherrschenden Partei des Reiches, was im Dezember 1933 mit dem Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat noch bekräftigt wurde. Damit war ein Einparteiensystem errichtet und der als Kennzeichen des verhassten „... Systems“ betrachtete Parlamentarismus beseitigt. ...

    Wie für den Verwaltungsapparat besaß die NSDAP auch für die von ihr angestrebte Rechtsordnung kein klares Konzept. Das 25-Punkte-Programm hatte in Punkt 19 ein nicht näher definiertes „deutsches Gemeinrecht“ als „Ersatz für das der materialistischen Weltanschauung dienende römische Recht“ gefordert. Darunter verstand die NSDAP vor allem die Unterordnung der individuellen Bürgerrechte unter das angebliche Gesamtinteresse der „Volksgemeinschaft“: Recht ist, was dem Volke nützt. Als oberste Rechtsgüter wurden unklar definierte Begriffe wie Rasse, Erbgut, Ehre, Treue, Wehrhaftigkeit, Arbeitskraft, Zucht und Ordnung propagiert. ...

    Die Gleichschaltungsgesetze und -maßnahmen hoben bis Januar 1935 auch die Justizhoheit der Länder auf. ... Eine einheitliche Justizausbildungsverordnung stärkte dessen Loyalität zum Führerstaat: Sie sah für Rechtsreferendare eine zweimonatige ideologische Schulung im „Gemeinschaftslager Hanns Kerrl“ und die mündliche Prüfung des Fachs „Volks- und Staatskunde im weitesten Sinn“ vor. ...
    Frauen wurden ab 1935 nicht mehr als Richterinnen, Staats- und Rechtsanwälte zugelassen. ...

    Fortan wurde neben dem traditionellen Gerichtswesen für immer mehr Bereiche eine Sonder- und Standesgerichtsbarkeit aufgebaut. Nur für „Artgleiche“ galt annähernd gleiches Recht, für zu „Artfremden“ erklärte Bevölkerungsgruppen dagegen wurde Sonderrecht eingeführt: so für die „Asozialen“, Deutsche Juden ind „Fremdvölkischen“, vor allem Polen und Russen. Juden durften nur noch als „Konsulenten“ für andere Juden vor Gericht erscheinen. Für Polen und Juden im vom Deutschen Reich besetzten Polen galt ab Dezember 1941 die Polenstrafrechtsverordnung.

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    1. Schon ab Juli 1933 wurden allen Amtsgerichten Erbgesundheitsgerichte angegliedert, die u. a. das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses mit Gesundheitszeugnissen durchführen sollten. ...

      In der Strafjustiz wurden die Kriterien für Straftatbestände immer mehr von eindeutigen Tatmerkmalen auf die GesinnungsstrafrechtGesinnung eines mutmaßlichen Täters verlagert. Den Richtern wurde dabei ein viel größerer Ermessensspielraum als bisher zugestanden. Diese Aufweichung zielte praktisch auf Strafverschärfung. Zugleich wurden viele Straftatbestände direkt mit höheren Strafen belegt, einige neu geschaffen. Die 1941 geänderten, am Täterstrafrecht orientierten Mordmerkmale wurden dennoch nach 1945 unverändert im Strafgesetzbuch beibehalten.

      Die Todesstrafe, die 1933 für drei Tatbestände vorgesehen war, wurde auf zuletzt 46 Tatbestände ausgedehnt und vor allem im Krieg exzessiv angewandt. Die Kriegsgerichte bezogen Tatbestände wie „Wehrkraftzersetzung“ auch auf subjektive Einstellungen; als Kriegswirtschaftsverbrechen galten immer geringfügigere Vergehen. Die 5. Verordnung zum Kriegssonderstrafrecht vom 5. Mai 1940 erlaubte den Sonderrichtern schließlich, für jede Straftat jede Strafe bis einschließlich der Todesstrafe zu verhängen, wenn der nach Gesetzestext vorgesehene Strafrahmen „nach gesundem Volksempfinden“ für eine Sühne nicht ausreiche. Infolge dieser Rechtswillkür fällten die zivilen Sondergerichte rund 16.000 Todesurteile, 15.000 davon ab 1941; die Kriegsgerichte fällten rund 30.000 Todesurteile, davon etwa 23.000 wegen Fahnenflucht. ...

      Demgegenüber besagt der zeitgeschichtliche Befund etwa des Historikers Heinrich August Winkler: „Mit dem ‚Dritten Reich’ ging am 8. Mai 1945 auch das Deutsche Reich unter, das Thomas Mann das ‚unheilige Deutsche Reich preußischer Nation’ nannte, das immer nur ein ‚Kriegsreich’ habe sein können.“
      Am Ende des Krieges, so Winkler, hätten die Deutschen nicht nur das Reich verloren; es habe nicht einmal Gewissheit darüber gegeben, dass es in Zukunft überhaupt wieder zu einem deutschen Nationalstaat kommen würde. Winkler führt aus: „Am Ende des Zweiten Weltkriegs war der preußische Mythos so verbraucht wie der sehr viel ältere Reichsmythos, der den Untergang des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation im Jahre 1806 um 139 Jahre überlebt hatte. Mehr zu sein als die anderen europäischen Nationen und ihre Nationalstaaten: nichts hatte die Deutschen vom Westen so sehr getrennt wie der universalistische Anspruch, den sie mit dem Reich verbanden.“

      http://de.wikispheria.org/Gro%C3%9Fdeutsches_Reich.html

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