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Montag, 3. September 2012

Kippa, Turban, Kopftuch

Nach Angriff auf Rabbiner: Kippa-Flashmob gegen Antisemitismus


STERN.DE,  2. September 2012
Berlin zeigt Solidarität mit verletztem Rabbiner
Nach dem brutalen Angriff auf einen Rabbiner haben am Wochenende in Berlin mehr als tausend Menschen ihre Solidarität mit dem Verletzten bekundet. Am Sonntag nahm Rabbi Daniel Alter selbst an einer Demonstration gegen Antisemitismus und Gewalt in der Nähe des Tatorts teil.
Der Rabbiner Daniel Alter war im Berliner Stadtteil Friedenau von vier Jugendlichen zusammengeschlagen worden. "Ich habe das Jochbein gebrochen bekommen. Aber meinen Willen, mich für interreligiösen Dialog einzusetzen, haben diese Typen nicht gebrochen", sagte der 53-Jährige zum Abschluss der Veranstaltung. Bereits am Samstag hatten rund 150 Menschen in Charlottenburg mit einer spontanen Demonstration gegen Antisemitismus protestiert.
Alter war am Dienstag im gutbürgerlichen Stadtteil Friedenau vor den Augen seiner Tochter von vier - nach Polizeiangaben vermutlich arabischstämmigen - Jugendlichen zusammengeschlagen worden. Er trug ein Kippa, die traditionelle jüdische Kopfbedeckung. Dem siebenjährigen Mädchen drohten die Täter mit dem Tod.
Bei der Veranstaltung in Friedenau sprach der Rabbiner von einer "wunderbaren Welle der moralischen Unterstützung" für sich und seine Familie. Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) sagte zu ihm: "Wir brauchen Sie in Friedenau. Wir brauchen Sie, damit jüdisches Leben bleibt und wächst."
An die Islamverbände appellierte Kolat, den Antisemitismus mit konkreten Maßnahmen zu bekämpfen. Die Kundgebung besuchten nach Veranstalterangaben rund 1300 bis 1500 Menschen. Die Polizei sprach von etwa 1000 Teilnehmern.
Bei der spontanen Schweigedemonstration in Charlottenburg, einem sogenannten Kippa-Flashmob, trugen viele Teilnehmer die jüdische Kopfbedeckung. Aus Solidarität mit dem Rabbiner wollten auch Politiker und Kulturschaffende am Samstag eine Kippa aufsetzen. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sagte der "Berliner Morgenpost" (Samstag), er wünsche sich, dass auch die islamischen Bürger Solidarität zeigten. Schauspieler Ulrich Matthes betonte, er trage Kippa, "weil der Angriff leider kein Einzelfall war".
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sagte am Samstag bei der Eröffnung der ersten "Langen Nacht der Religionen" in Berlin, das Tragen religiöser Symbole dürfe nicht im Verborgenen stattfinden. "Wir müssen sicherstellen, dass ein Jude seine Kippa tragen kann und dass der Turban getragen werden darf."
Ähnlich äußerte sich auch der Präsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann. "Ich lasse nicht zu, dass wir unser Judentum nur im Hinterzimmer ausleben dürfen", sagte er dem "Tagesspiegel" (Samstag). "Wir Juden in Deutschland werden uns jedenfalls ganz sicher nicht einschüchtern lassen."
Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Berlin, Gideon Joffe, hatte dagegen gesagt, er würde es Juden nicht empfehlen, in jedem Stadtteil Berlins mit einer Kippa herumzulaufen.

http://www.stern.de/politik/deutschland/berlin-zeigt-solidaritaet-mit-verletztem-rabbiner-1888242.html
 
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Zum Thema Hass und Gewalt gegen Turbanträger siehe z.B.
http://zettelmaus.blogspot.de/2012/08/stereotypisierung-und-hass.html


Zum Thema Hass und Gewalt gegen Kopftuchträgerinnen siehe z.B.
http://guttmensch.blogspot.de/2011/04/kopftuchmadchen-kopftuchschlampe.html

und Stichworte "Kopftuchmädchen", "Kopftuchschlampe" auf diesem Blog.

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Schutz des Rechtes auf freie Wahl der Kopfbedeckung:
Für Männer Ja, für Frauen Nein?


"Wir müssen sicherstellen, dass ein Jude seine Kippa tragen kann und dass der Turban getragen werden darf."Klaus Wowereit, Oberbürgermeister von Berlin
Ist das Kopftuch hier wohlweislich ausgelassen? Immerhin wird es ja in der öffentlichen Debatte gern als Symbol der Unterdrückung der Frau oder ihrer Unterwerfung unter den Mann dargestellt – und das ist es auch, wenn Frauen zum Tragen des Kopftuchs gezwungen oder genötigt werden. Allerdings kann man dies längst nicht bei jeder Kopftuchträgerin voraussetzen. Die Enscheidung, ein Kopftuch zu tragen oder nicht, sollte bei der Frau selbst liegen, und sie sollte vor Angriffen wegen Nichttragens eines Kopftuchs oder wegen Tragens eines Kopftuchs gleichermassen geschützt sein.
Dürfen Menschen durch ihre Kleidung “Andersartigkeit betonen”? - Nach Thilo Sarrazin schaffen sie damit gute Gründe, dass es gegen ihre Gruppe Vorbehalte gibt:
“… in ganz Europa (gibt es) Vorbehalte gegen Muslime … - mit guten Gründen … (darunter):  Keine Gruppe betont in der Öffentlichkeit so sehr ihre Andersartigkeit, insbesondere durch die Kleidung der Frauen.”
(DSSA, 2010)


Die Dämonisierung des Kopftuchs richtet sich vordergründig gegen die Verletzung von Frauenrechten. Tatsächlich aber führt sie viel eher dazu, dass Kopftuchträgerinnen selbst zum Gegenstand der Dämonisierung werden, als dass sie in ihrem Recht, Entscheidungen für sich selbst zu treffen, gestärkt würden.
 “Diese ,Frau‘, die ich angeblich beleidigt habe, trug ein Anzeichen von totaler religiöser Unterwerfung unter dem Männern und dem Satangott, nämlich ein Kopftuch.
Damit hat sie Deutschland, seine Geschichte, seine Kultur und deshalb mich beleidigt.“
Alex Wiens (in einem Brief an das Gericht vor seinem Mord an Marwa el-Sherbini, 2008)
http://guttmensch.blogspot.de/2011/04/kopftuchmadchen-kopftuchschlampe.html


“Das Kopftuch bedeutet gleichzeitig die Akzeptanz der Unterordnung der Frau unter den Mann,
das heißt die Ablehnung der Emanzipation der Frau nach abendländischem Muster.”
Thilo Sarrazin  (DSSA, 2010)
 

Zu dem Hass, mit dem Kippa-Träger und Turban-Träger bedacht werden, kommt bei Kopftuchträgerinnen noch ein reichliches Mass an sexuell gefärbten männlichen Fantasien.
Da das Wort “Kopftuchschlampe” bei Weitem der häufigste einzelne Suchbegriff ist, mit dem mein Blog über Google angeklickt wird (leider wohl oft auf der Suche nach ganz anderen Inhalten), habe ich nachgesehen, welche Art von Seiten denn sonst noch mit diesem Begriff zu finden sind. Neben Hass-Seiten sind dies vor allem Porno-Seiten. 



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In den Niederlanden hatte der Rechtspopulist Geert Wilders fuer Kopftuch tragende Musliminnen eine "Kopffetzensteuer" vorgeschlagen.

Siehe z.B.
http://www.faz.net/aktuell/politik/europaeische-union/islam-gegner-wilders-der-gar-nicht-einsame-kaempfer-1955456.html

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Ist nicht auch der Brautschleier irgendwie orientalisch?

“Nationalsozialistische »Eheweihen« – vom Volksmund als »braune Hochzeiten« umschrieben – fanden im Hörsaal der Burg statt. In Anwesenheit von etwa 500 Junkern und Burgangestellten, bei Fackelschein und germanischen Kultimitationen fanden die Trauungen statt, bei denen ab 1938 von der Braut nicht mehr der »jüdisch-orientalische« Schleier getragen werden durfte.”
Aus dem Artikel “Ordensburg Vogelsang 1934-1945” von Hans-Dieter Arntz (in “Jahrbuch 1989 des Geschichtsvereins des Monschauer Landes”), Hervorhebung von mir
http://www.hans-dieter-arntz.de/ordensburg_vogelsang_35-45.html


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Soll sich eine Frau, die ein Kopftuch traegt, rechtfertigen muessen, ob sie es aus religioes begruendeter Tradition tut oder aus weltlichen Gruenden? Davon gibt es etliche; z.B. Haarausfall nach einer Chemotherapie, ein bad hair day (Tag, an dem die Haare nicht recht sitzen wollen) oder Lust auf einen modischen Stil. Je weniger das Kopftuch dramatisiert wird, je weniger es Gegenstand von Gebot oder Verbot ist, desto eher wird es in einer freien Gesellschaft als modisches Attribut saekularisiert.
Es gibt bereits schoene Beispiele fuer ent-dramatisierte Kopftuch-Mode, z.B. den Online Shop http://www.tollestuch.de/, dessen Gruenderin selbst Chemotherapie-Betroffene ist.  - Ob Emma sie wohl als Anzeigenkundin akzeptieren wuerde?


 
“Tuerkisch und Grace-Kelly-haft zugleich …”
Claudius Seidl in dem Feature “Der Schleier, gehasst und geliebt")
http://www.youtube.com/watch?v=7iJzJzIzu70 ; bei ca. 50:05)
Geht das?

2 Kommentare:

  1. The Independent
    Rachael Revesz
    July 28, 2016

    Muslim man ‘left to die’ after attack by teenager outside mosque speaks out for first time

    Mohamed Rasheed Khan cycled to his local mosque every night in traditional flowing robes without incident.
    But on the evening of 1 June he was allegedly attacked by a 14-year-old and left unconscious until a friend came across him and called an ambulance.
    Mr Khan, 59, has spoken out for the first time about the attack.
    The Queens resident had left the mosque when the teenagers allegedly followed him and punched him in the face. He was then repeatedly punched in the face and body.
    “I wasn't breathing, I was knocked out then, if somebody didn't pick me up I might've died there,” Mr Khan told NY1.
    The 14-year-old, whose name has not been released, has been charged with assault. He was with two other teenagers on the night of the attack, and the Hate Crimes Task Force is investigating the case.
    He suffered multiple broken bones in his face, fractured ribs, concussion and internal injuries. ...
    Mr Khan has not been able to return to work. He reportedly walks with a cane and spends most of his time either at home or in the hospital. ...
    The incident is one in a long line of what campaigners believe to be anti-Muslim attacks in the state and around the country.
    Last month two Muslim teenagers were beaten outside a mosque in Brooklyn.
    A man who was beaten on his way to a mosque in the Bronx in June, Mohammed Atique Ashraf, said his white prayer cap might have made him a target.
    A report released by the Council on American-Islamic Relations and the UC Berkeley Center for Race and Gender on the rise of Islamophobia in the US found that attacks on mosques nearly quadrupled from 20 to 78 between 2014 and 2015.

    http://www.msn.com/en-gb/news/uknews/muslim-man-%e2%80%98left-to-die%e2%80%99-after-attack-by-teenager-outside-mosque-speaks-out-for-first-time/ar-BBuZmpj?ocid=spartandhp

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  2. Mädchen und Frauen, die Kopftuch tragen, werden in Deutschland immer schlimmer belästigt. © dpa

    30. September 2016

    Amina ist Studentin. In Deutschland geboren. Und Muslimin. In einem emotionalen Facebook-Posting beschreibt sie, wie sie die wachsende Diskriminierung erlebt.

    Ich bin an einem Punkt angelangt, an dem ich mich in Deutschland fürchte. Jeden zweiten Tag erlebe ich nun islamfeindliche Bemerkungen gegen mich und andere Frauen mit Hijab. Mitten auf der Straße. Mir zischen Leute einfach absolut menschenfeindliche Dinge ins Ohr. Im Vorbeigehen.

    „Ihr gehört hier nicht her!“

    Neulich laufe ich nach dem Lernen in der Bibliothek von der Haltestelle nach Hause. Mir kommt ein Herr entgegen, er sieht völlig normal aus, wie ein friedfertiger Familienvater. Und im Vorbeigehen zischt er mir ein „Schon wieder so ein Schei*-Kopftuch“ von der Seite zu.

    Ich drehe mich um und rufe ihm zu, dass er stehen bleiben soll. Er geht weiter. Ich laufe ihm hinterher und sage, er solle das noch mal sagen, aber diesmal direkt in mein Gesicht. Er macht eine abfällige Geste. Ich sage ihm, er solle mir sagen, was denn bitte sein Problem sei, dass er Menschen einfach solche Dinge zuzischt. Er will weitergehen. Ich laufe ihm hinterher und frage noch mal, was denn sein Problem sei.

    Da wird er wütend, er ruft: „Es gibt zu viele von euch!“

    „Zu viele von was?!“, will ich wissen.

    Er zeigt abfällig mit der Hand auf mein Hijab. „Ihr kommt hierher in Scharen, wollt euch nicht integrieren und macht nichts als Ärger. Ihr gehört hier nicht her.“

    Er redet sich sichtlich in Rage, die Leute laufen einfach an uns vorbei. Ich sage ihm, dass ich hier geboren wurde, hier aufgewachsen bin, perfekt deutsch spreche und Abschlüsse gemacht habe. Ich bin „integriert“.

    Er sagt nur wieder: „Ihr gehört hier nicht her, geht dahin, wo ihr hergekommen seid.“

    Er hat mir nicht zugehört, offensichtlich. Danach ruft er noch „Aber ich wähle jetzt schon die richtige Partei, euch werden wir es zeigen!“

    Dann geht er einfach weg. ...

    Ich weiß nicht, was mir mehr Angst macht: seine menschenfeindliche Haltung – oder dass er für diese Haltung auch noch eine politische Legitimation bekommt.

    In diesen Momenten bin ich zuerst sauer, dann traurig, dann überkommt mich die Furcht.

    Ich fürchte mich bei den Wahlergebnissen der letzten Monate.

    Ich fürchte mich, weil in München am helllichten Tage zwei muslimische Frauen von einem Mann geschlagen werden, weil ihm ihr Kopftuch nicht passt. ...

    http://ze.tt/so-werden-frauen-mit-kopftuch-in-deutschland-beschimpft/

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