Nachtrag 08.09.2018: In dem Post "Blaupause Ingolstadt" auf meinem anderen Blog habe ich Informationen zur "Festungs- und Lagergeschichte" von Ingolstadt geordnet, die ich zunächst hier Stück für Stück in ergänzenden Kommentaren zusammen getragen hatte. (Siehe http://zettelmaus.blogspot.com/2018/09/blaupause-ingolstadt-doch-nicht-der.html). Diese fasse ich hier noch einmal stärker zusammen und stelle die Zusammenfassung diesem früheren Post voran.
Zusammenfassung zur Festungs- und Lagergeschichte von Ingolstadt
Wie seinerzeit das erste Abschiebelager für sogenannte
"Ostjuden" ist auch das Transitzentrum in der Max-Immelmann-Kaserne,
das eine "Blaupause" für die im Koalitionsvertrag genannten
Ankerzentren sein soll, im historischen Festungsring um Ingolstadt
untergebracht. Die Forts sind mit Nummernzahlen bezeichnet und z.T. zusätzlich
nach Personen benannt. Erhalten ist heute nur noch eines; Fort Prinz Karl (Fort
VI). Das Gelände des Fort IX bei Oberstimm wurde nach der Zerstörung für die
Neuerrichtung einer Bundeswehrkaserne (Max-Immelmann-Kaserne) genutzt.
Die Kaserne auf dem Gelände des früheren Fort IX, bestehend
aus mehreren Häusern auf dem knapp 40 Hektar großen Gelände, wurde 2015
endgültig geschlossen. Die Gemeinde Manching sicherte sich den Erstzugriff auf
das Kasernengelände. Dort wurde am 1. September 2015 auf einen Beschluss der
bayerischen Staatsregierung hin das das bundesweit erste Lager für
Schnellabschiebungen, die „Ankunfts- und Rückführungseinrichtung I“ errichtet. Sie
ist, z.B. nach den Worten von Bayerns Sozialministerin Emilie Müller, als
„Blaupause“ für weitere Einrichtungen dieser Art („ANKER-Zentren“) gedacht.
Die Geschichte der Stadt, die 1537 zur „bayerischen
Landesfestung“ ausgebaut wurde, ist stark geprägt von einer hohen
wirtschaftlichen und ideengeschichtlichen Bedeutung der militärischen Konfrontation
und Abwehr. In der Region wird Ingolstadt auch heute noch des Öfteren als „die
Schanz" bezeichnet. Bauten des Festungsrings dienten der Abwehr und
Abschreckung. Darüber hinaus wurden sie auch in verschiedenen Phasen der
Geschichte für die Unterbringung und das Festhalten von Personen verwendet, die
als Teil einer Bedrohung angesehen wurden.
Im deutsch-französischen Krieg von 1870/71 wurde die Festung
(erstmals) als Kriegsgefangenenlager genutzt. Unter den Gefangenen waren Truppenangehörige
aus französischen Kolonien Afrikas; ein beliebtes Motiv für Maler der Zeit, mit
Bezeichnungen wie „Afrika in Bayern“. Im Ersten Weltkrieg wurde die Festung erneut
Kriegsgefangenenlager. Überliefert ist die Nutzung von Fort VIII, das auch als
Zwischenwerk Manching bekannt war. Aus dieser Zeit stammen Ansichtskarten, die
das Deutsche Reich zum Zweck der Auslandspropaganda auch in französischer und
spanischer Sprache herausgegeben hat. Diese vermittelten negative
Völker-Stereotype. “Kulturbrüder” war ein typischer politisch-abwertender
Kampfbegriff in der deutschen Propaganda. (Die Assoziation „Kulturbereicherer“
liegt nahe.)
1920 errichtete man im Fort Prinz Karl ein Lager, in dem
unerwünschte "Ausländer", unter ihnen vor allem "Ostjuden",
vor ihrer Ausweisung interniert wurden. Bereits im Dezember 1919 hatte sich ein
Abgeordneter der DNVP im Preußischen Landtag dafür ausgesprochen, "Einwanderer
aus dem Osten" in "Konzentrationslagern" unterzubringen und von
dort "sobald als möglich" abzuschieben.“ Der Historiker Dirk Walter kam
(1999) zu dem Schluss, dass die NS-Judenpolitik seit 1933 nicht ohne
Vorgeschichte war. Radau-antisemitische Aktionen von unten und bürokratische
Initiativen von oben hätten sich bereits in der Weimarer Republik wechselseitig verstärkt und einen dynamischen
Prozess in Gang gesetzt.
In der aktuellen Diskussion stellt sich die Frage: Wieweit
„darf“ man in politischen Diskussionen „Lehren der Geschichte“ und Überlegungen
zu Kontinuitätslinien mit heran ziehen; zumal, wenn Berührungspunkte zum
Nationalsozialismus ins Spiel kommen? Ein heikles Thema, denn erfahrungsgemäß
droht jede Diskussion, die auch nur entfernt solche Bezüge beinhaltet, in einen
Schlagabtausch zu entgleiten. Thema für einen separaten Post.
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Der Festungsring um Ingolstadt und die Lage der Forts
Quelle: Wikimedia Commons |
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Ohne die von Horst Seehofer propagierten „Ankerzentren“ (zuerst
in Ingolstadt 2015) mit Abschiebelagern unseligen Angedenkens (zuerst
in Ingolstadt 1920) gleichsetzen zu wollen: Ein Blick in die Geschichte stimmt
besorgt.
Ingolstadt, 1920
Das 1920 in Ingolstadt errichtete Abschiebelager für
sogenannte „Ostjuden“ war nach Einschätzung des Historikers Dirk Walter (in
seinem 1999 erschienenen Buch „Antisemitische Kriminalität und Gewalt –
Judenfeindschaft in der Weimarer Republik“) Teil eines Geschehens, bei dem sich
radau-antisemitische Aktionen von unten und bürokratische Initiativen von oben
wechselseitig verstärkten und einen dynamischen Prozess in Gang setzten
Zbąszyń (Bentschen),
1938
Zbąszyń (deutsch Bentschen) ist eine Stadt in Polen, ca. 100
km östlich von Frankfurt (Oder).
Ende Oktober 1938 erfolgte die Polenaktion, die Abschiebung
von etwa 17.000 polnischen Juden aus Deutschland. Diejenigen, die in Polen
keine Familienangehörigen bzw. Bekannten hatten, bei denen sie unterkommen
konnten, und diejenigen, denen man die Einreise verweigerte, wurden in Zbąszyń
interniert. Für Herschel Grynszpan, dessen Eltern betroffen waren, war dies
Anlass, in Paris den deutschen Botschaftsmitarbeiter Ernst vom Rath zu
erschießen.
Dem nationalsozialistischen Regime diente diese Tat als
Vorwand, um unter dem Motto Rache für den Mord an vom Rath schon lange
beabsichtigte Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung in Deutschland
durchzuführen.
Konzentrationslager - Vor- und Frühgeschichte des Begriffs
In der frühen Weimarer Zeit kam in Deutschland der Begriff "Konzentrationslager" ins Gespräch; dabei ging es um das "Konzentrieren" unerwünschter Ausländer, insbesondere sogenannter "Ostjuden", an Orten, wo man sie gesammelt im Blick haben und von wo aus man sie abschieben wollte. Die furchtbare Bedeutung, die aufgrund der Kenntnis der weiteren Geschichte das Wort heute für uns hat, hatte es damals noch nicht. - Ob man im Zusammenhang mit der Diskussion um "Ankerzentren" auf die Vor- und Frühgeschichte der Konzentrationslager verweisen darf, ist sehr kontrovers.
Aus Wikipedia:
Der Begriff Konzentrationslager steht seit der Zeit des
Nationalsozialismus für die Arbeits- und Vernichtungslager des NS-Regimes.
Vorgängereinrichtungen: ... Im Zuge der angestrebten massenhaften Ausweisung von „Ostjuden“, zumeist Migranten, die vor antisemitischer Verfolgung aus Osteuropa ins Deutschen Reich geflohen waren, ließ die bayerische Regierung 1920 in Ingolstadt und die preußische Regierung 1921 in Cottbus-Sielow und in Stargard in Pommern jeweils ein Konzentrationslager einrichten. Dort wurden zur Abschiebung vorgesehene Ostjuden interniert.
Man kann die Entwicklung der nationalsozialistischen Konzentrationslager in vier zeitlich zu trennende Phasen einteilen (1933–1935, 1936–1938, 1939–1941 und 1942–1945). Diese lassen sich durch die Gruppen der Inhaftierten, den Haftzweck, die Art der Durchführung und die Haftfolgen beschreiben. Stand in der ersten Phase die Einschüchterung und Verfolgung politischer und gesellschaftlicher Gegner der NSDAP im Vordergrund, wurde schließlich die massenhafte Ermordung jüdischer Bürger in ganz Europa (Shoah) zum Hauptziel.